Was der Hund sah
der Folgen und der Risiken« der Zweckgesellschaften nicht bewusst gewesen zu sein. Und diese Direktoren nahmen an Sitzungen teil, in denen diese Transaktionen im Detail erörtert wurden. In Verschwörung der Narren legt Eichenwald überzeugend dar, dass selbst Enrons Finanzvorstand Andrew Fastow die wirtschaftliche Tragweite der Geschäfte nicht verstand, und er war derjenige, der sie vorbereitete.
»Es handelte sich um sehr, sehr komplexe Transaktionen«, meint Anthony Catanach, Professor für Bilanz an der Villanova University, der zahlreiche Artikel über den Fall Enron verfasst hat. Über Enrons Bilanzprüfer sagt er: »Ich bin mir nicht einmal sicher, ob die Mitarbeiter von Arthur Andersen bei Enron sie verstanden hätten, selbst wenn sie sie direkt vor der Nase gehabt hätten. Ich habe zwei Monate gebraucht, um den Powers-Report zu verstehen. Das waren extrem verworrene Geschäfte.«
An dieser Stelle sollte man darauf hinweisen, dass Enrons System der Zweckgesellschaften auch dann so schwer zu verstehen gewesen wäre, wenn es sich um normale Geschäfte gehandelt hätte. Zweckgesellschaften sind naturgemäß kompliziert. Sie werden von Unternehmen gegründet, um Banken eine Sicherheit für einen Kredit zu bieten. Dazu liefert das Unternehmen den Kreditgebern und Partnern umfangreiche Informationen über einen bestimmten Geschäftsbereich. Je mehr Sicherheit ein Unternehmen einem Finanzier bietet - je mehr Garantien, Klauseln und Erklärungen es also in den Vertrag einbaut -, desto unverständlicher wird die Transaktion für Außenstehende. Schwarcz meint, Enron hätte die Öffentlichkeit gar nicht vollständig informieren können. Man könne zwar versuchen, einen Abschluss durch Vereinfachungen verständlich zu machen, doch in diesem Fall laufe man Gefahr, mögliche Risiken herunterzuspielen. Wenn man jedoch jeden denkbaren Fallstrick öffentlich machen wolle, dann wäre die Bilanz vollkommen unverständlich. Für Schwarcz demonstriert der Fall Enron nur, dass in einem Zeitalter der zunehmenden finanziellen Komplexität das »Paradigma der Information« - die Vorstellung also, dass wir umso mehr wissen, je mehr Informationen uns ein Unternehmen zur Verfügung stellt - der Vergangenheit angehört.
5.
Im Sommer 1943 verkündete die Propaganda der Nationalsozialisten, die deutsche Wehrmacht verfüge über eine neue, vernichtende Wunderwaffe. Sofort machten sich die Geheimdienste der Alliierten an die Arbeit. Spione bestätigten, dass die Deutschen eine geheime Waffenfabrik errichtet hatten. Auf Luftaufnahmen aus Nordfrankreich war eine merkwürdige neue Betoninstallation zu erkennen, die in Richtung England zielte. Die Alliierten waren besorgt. Sie sandten Bomber aus, um die geheimnisvolle Operation zu stören, und erstellten Pläne, um auf mögliche neue und zerstörerische Angriffe auf englische Städte zu reagieren. Niemand wusste jedoch, ob es die Wunderwaffe wirklich gab. Es schien zwar neue Fabriken zu geben, doch es war nicht zu erkennen, was dort vorging. Und es gab zwar eine Art Rampe in Nordfrankreich, doch dabei konnte es sich auch um eine Attrappe handeln, mit der die Alliierten von den wirklichen Zielen abgelenkt werden sollten. Die deutsche Wunderwaffe war ein Rätsel, und die Alliierten verfügten nicht über ausreichende Informationen, um es zu lösen. Es gab jedoch eine weitere Möglichkeit, das Problem anzugehen, die sich letztlich als sehr viel fruchtbarer erwies: Man konnte die deutsche Wunderwaffe als Geheimnis behandeln.
Die Detektive des Zweiten Weltkriegs waren eine kleine Gruppe von Analysten, deren Aufgabe darin bestand, die Propagandasendungen der Japaner und der Deutschen abzuhören. Die britische Einrichtung bestand seit der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg und unterstand der BBC. Die amerikanische Organisation war als »Spinnerdivison« bekannt, wie der Historiker Stephen Mercado schreibt, und Anfang der vierziger Jahre in einem unscheinbaren Gebäude in der Washingtoner K Street untergebracht. Die Analysten hörten die Rundfunkprogramme ab, die jeder empfangen konnte, der ein Kurzwellenradio hatte. Mit Kopfhörern saßen sie an ihren Schreibtischen und lauschten stundenlang den nationalsozialistischen Propagandasendern. Dann versuchten sie herauszufinden, was die öffentlichen Verlautbarungen der Nationalsozialisten, zum Beispiel über die Möglichkeit einer neuen Russlandoffensive, über ihre tatsächliche Einstellung gegenüber einer solchen Offensive verrieten. Ein Journalist
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