Was der Hund sah
korrigieren. Mit anderen Worten ist Lewis nicht nur verärgert, weil Lavery ihre Lebensgeschichte kopiert hat, sondern weil sie sie verändert hat. Sie ist nicht nur wegen des Plagiats verärgert. Sie ist verärgert über die Kunst - die Verwendung alter Worte im Dienste einer neuen Idee -, und ihre Reaktion ist nur zu verständlich, denn die Veränderungen der Kunst können genauso verletzen wie der Diebstahl und das Plagiat. Nur dass Kunst keinen Bruch der ethischen Regeln darstellt.
Bei der Lektüre der Rezensionen von Frozen bemerkte ich, dass viele Kritiker den Satz »Der Unterschied zwischen einem Verbrechen aus Bosheit und einem Verbrechen aus Krankheit ist der Unterschied zwischen einer Sünde und einem Symptom« in der einen anderen Variante verwendeten, ohne ihn als Zitat kenntlich zu machen. Das war natürlich mein Satz. Ich hatte ihn geschrieben. Lavery hatte ihn bei mir abgeschrieben, und jetzt schrieben ihn die Kritiker bei ihr ab. Die Plagiatorin wurde plagiiert. In diesem Fall ist die Kunst keine Entschuldigung: Mit dem Zitat wurde nichts Neues geschaffen. Es handelte sich auch nicht um »Nachrichten«. Aber bin ich wirklich der Eigentümer von »Sünde und Symptom«? In einem berühmten Zitat stellt Gandhi diese beiden Worte einander gegenüber, und ich bin mir sicher, wenn man die englischsprachige Literatur durchforsten würde, dann wäre der Weg gepflastert mit »Verbrechen aus Bosheit« und »Verbrechen aus Krankheit«. Das Entscheidende am »Phantom Song« ist, dass Ray Repp, wenn er sich denn bei Andrew Lloyd Webber bediente, sich dessen nicht bewusst war, und dass Andrew Lloyd Webber nicht bemerkte, dass er bei sich selbst abschrieb.
Kreatives Eigentum hat viele Leben, wie Lessig so schön bemerkt: Die Zeitung kommt ins Haus, wird Teil des menschlichen Wissensschatzes und wird schließlich verwendet, um Fisch einzuwickeln. In der dritten oder vierten Inkarnation wissen wir nicht mehr, woher eine Idee kommt und wohin sie geht. Die eigentliche Unredlichkeit der Plagiatsfundamentalisten ist die, dass sie so tun, als gäbe es diese Beeinflussung und Entwicklung nicht, als wären die Worte eines Autors das Produkt einer jungfräulichen Geburt und als hätten sie das ewige Leben. Ich könnte mich natürlich über das aufregen, was mit meinen Worten passiert ist. Ich könnte mich aber auch einfach freuen, wie weit sie gekommen sind - und sie ziehen lassen.
»Es war furchtbar, wirklich, denn es widerspricht meiner Vorstellung von Integrität«, sagte Lavery an meinem Küchentisch. Der Blumenstrauß, den sie mitgebracht hatte, stand hinter ihr auf der Ablage. »Es fühlt sich schlimm an. Ich habe geschludert, und jetzt muss ich dafür zahlen. Ich würde es gern wieder gutmachen, aber ich weiß nicht wie. Ich habe nicht gedacht, dass ich irgendwas falsch mache ... und dann kamen diese Artikel in der New York Times und in der ganzen Welt.« Sie schwieg lange. Sie war am Boden zerstört. Aber mehr noch, sie war verwirrt, denn sie verstand nicht, wie 675 Wörter die Welt zum Einsturz bringen konnten. »Es war furchtbar, schrecklich ...« Sie weinte. »Ich muss es immer noch verdauen. Es wird schon seinen Sinn gehabt haben ... was immer dieser Sinn ist.«
22. November 2004
Verbinde die Punkte
Die Widersprüche der Geheimdienstreform
1.
Im Herbst 1973 zog die syrische Armee Panzer, Artillerieeinheiten und Infanteristen an der Grenze zu Israel zusammen. Im Süden strich die ägyptische Armee gleichzeitig ihren Soldaten den Ausgang, mobilisierte Tausende Reservisten, initiierte eine massive Militärübung, baute Straßen und brachte entlang des Suezkanals Luftabwehr und Artillerie in Stellung. Am 4. Oktober zeigten Bilder der israelischen Luftaufklärung, dass die Ägypter ihre Artillerie in Angriffsstellung gebracht hatten. Am Abend desselben Tages erfuhr der israelische Militärgeheimdienst Aman, dass Teile der sowjetischen Flotte, die in der Nähe von Port Said und Alexandria vor Anker lagen, die Häfen verlassen hatten, und dass die sowjetische Regierung die Angehörigen ihrer Militärberater aus Kairo und Damaskus evakuierte. Am 6. Oktober erhielt der Leiter des Militärgeheimdienstes um 4 Uhr morgens einen dringenden Anruf von einem seiner verlässlichsten Informanten. Ägypten und Syrien würden im Laufe des kommenden Tages angreifen, behauptete der Informant. Die israelische Führung trat sofort zu einer Sondersitzung zusammen. Stand ein Krieg bevor? Aman-Chef Generalmajor Eli Zeira besah sich
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