Was der Nachtwind verspricht
deinen Verlobten an«, schlug er vor. »Man weiß ja nie, vielleicht magst du ihn sogar.« Als sie nur empört schnaubte, fügte er hinzu: »Das ist gar nicht so unmöglich.«
»Aber es würde nichts ändern.«
Er muss te nicht fragen, warum, und genau darum ging es, dachte Stenka empört. Alex war viel zu treu und loyal, selbst dann noch, wenn ihre Loyalität dem Falschen galt. Und ihr Vater hatte die richtige Idee gehabt. Stenkas eigener Vater, Ermak, hatte es den Baron mehr als einmal sagen hören, und jeder der Razins pflichtete ihm bei: Irgend jemand hätte diesen Engländer schon vor langer Zeit erschießen sollen.
7
Alexandra hatte sich bei ihrem Ritt zurück zum Haus Zeit gelassen, so dass die >weniger als zwei Stunden<, die ihr Vater für die Ankunft ihres Verlobten kalkuliert hatte, schon längst verstrichen waren, als sie und Stenka sich dem Haus näherten. Graf Wassili Petroff war wahrscheinlich schon im Haus, entweder in seinem Zimmer oder im Gespräch mit ihrem Vater. In beiden Fällen würde sie ihm wahrscheinlich nicht über den Weg laufen, wenn sie - wie sie geplant hatte - das Haus durch den Hintereingang betrat. Sie hatte beschlossen, ihn erst einmal von ihrem Vater in Augenschein nehmen zu lassen und dann dessen ehrliche Meinung zu verlangen, bevor sie dem Mann gegenübertrat.
Das war ihr Plan gewesen, und er war gut, das hatte sie zumindest gedacht - es bestand immerhin die Möglichkeit, dass ihr Vater den Mann unausstehlich fand und ihn gleich wieder wegschickte, so dass sie sich gar nicht mit ihm abgeben muss te. Aber sie hatte nicht damit gerechnet, dass es ihr Verlobter mit seiner Ankunft vielleicht gar nicht so eilig hatte. Das wurde deutlich, als sie die acht Männer sah, die gerade vor dem Haus abstiegen.
Für Alex war es jedoch kein Drama, wenn sie einen einmal gefassten Plan wieder aufgeben muss te. Schließlich hatten plötzliche Konfrontationen ihre Vorteile, und man konnte eine Menge lernen, wenn man jemanden überraschte. Vielleicht war es sogar besser, wenn zuerst sie ihm gegenübertrat - bevor ihr Vater ihn vor einigen ihrer >unmöglichen< Angewohnheiten, wie er sie nannte, warnen konnte. Sehen hieß glauben, und sie hatte noch nie besonders gut in ihrer Arbeitskleidung ausgesehen. Schließlich muss te sie im Stall niemanden beeindrucken.
Sie hatte jedoch nicht erwartet, dass der Kardinier mit so großem Gefolge reisen würde. Es waren insgesamt acht Männer, aber ein Dutzend Pferde. Auf den reiterlosen Pferden türmten sich die Gepäckstücke. Offensichtlich reiste ihr Verlobter nicht mit leichtem Gepäck, woraus sie sofort schloss , dass er wahrscheinlich einer dieser verweichlichten Aristokraten war, die es sich nicht vorstellen konnten, im Freien zu übernachten, und immer Diener bei der Hand haben muss ten, um die einfachsten Dinge zu erledigen.
Alexandra hatte noch nie in ihrem Leben jemanden gebeten, etwas für sie zu tun, wenn sie selbst es tun konnte oder wollte. Sie zog es sowieso vor, alles selbst zu machen. Nina sollte sich ruhig darum kümmern, dass ihre Kleidung immer ordentlich und sauber war, aber das war so ziemlich das einzige, was Alexandra ihre Freundin erledigen ließ.
Alexandra und Stenka ritten heran, ohne von den Besuchern bemerkt zu werden. Die Kardinier waren so unklug gewesen, mit den Pferden nicht gleich zu den Stallungen zu reiten. Aus dem Haus waren zwei Diener gekommen, die sich um die Tiere kümmern wollten, aber sie hatten nicht sehr viel Glück damit. Einige der Pferde waren Vollblüter, allerdings nicht so edel wie die Pferde, die die Rubliows züchteten, und auch nicht so gut zugeritten. Sie verursachten recht viel Unruhe unter den friedlicheren Tieren.
Eines der Tiere war ein Hengst, bei dessen Anblick Prinz Mischa schnaubte und den Kopf zurückwarf. Aber ein leises Wort von Alexandra beruhigte ihn, so dass sie absteigen und ihn sich selbst überlassen konnte. Sie war sicher, dass er sie nicht mit männlichem Imponiergehabe in Verlegenheit bringen würde. Ihr Blick ruhte schon auf dem Mann, der ihr Verlobter sein muss te - seine prächtige Kleidung verriet es ihr. Sie hatte nicht erwartet, dass er so gut aussehen würde. Dunkelbraunes Haar, babyblaue Augen und Grübchen in den Wangen, die sich beim Lachen noch vertiefen würden. Es überraschte sie auch, dass der Ausdruck seines Gesichtes so offen war und ihn leicht zugänglich für andere erscheinen ließ - ja, sogar sympathisch.
Er war bis jetzt der einzige aus der Gruppe, der ihre
Weitere Kostenlose Bücher