Was der Nachtwind verspricht
getroffen. Mein neues Ich kennt er noch nicht.«
»Aha, ein bisschen Theater spielen.« Nina nickte. »Das hast du doch vor, stimmt's?«
»Nein, sehr viel Theater spielen«, sagte Alexandra, die langsam Gefallen an ihrer Idee fand. »Er hält mich ja schon für ein Bauerntrampel, aber ich werde das schlimmste Bauerntrampel sein, dem er jemals begegnet ist. Ich werde gewöhnlich, vulgär und ungehobelt sein. Ich werde ihn blamieren. Schon der Gedanke daran, mich seiner Familie und seinen Freunden vorzustellen, wird ihn in Angst und Schrecken versetzen. Und er wird sehr schnell zu dem Schluß kommen, dass selbst sein Vater diese Verlobung aufgelöst hätte, wenn er sehen könnte, was aus mir geworden ist.«
»Das hört sich gut an.« Nina grinste.
»Dann kommst du also mit?«
»Dachtest du etwa, du könntest mich hierlassen?«
Alexandra lachte und umarmte ihre Freundin.
»Wahrscheinlich hat er schon nach einer Woche die Nase voll und schickt mich zurück, wir werden also nicht lange weg sein. Aber ich werde trotzdem alles mitschleppen, was ich besitze.«
»Glaubst du immer noch, dass du die Verzögerung durch die Karren brauchst?«
»Ich hoffe, dass er spätestens nach einer Woche zur Besinnung kommen wird, aber ich werde nichts dem Zufall überlassen. Wenn ich mehr Zeit brauche, um ihn davon zu überzeugen, dass er mit dieser Heirat einen Riesenfehler macht, dann werde ich diese Zeit auch haben. Aber mach dir keine Gedanken wegen der Packerei. Stopf die Sachen einfach in die Koffer, sobald sie da sind. Sowie die Verlobung beendet ist, werde ich ihm eine Rechnung für alle ruinierten Kleider schicken, da ich schließlich keine Zeit hatte, um richtig zu packen.«
»Damit streust du Salz in eine offene Wunde«, prophezeite Nina.
»Darauf kannst du wetten.«
Nina verließ das Zimmer, um die Reisekoffer zusammenzusuchen, aber Alexandra waren nur ein paar Momente vergönnt, in denen sie ungestört über ihren Entschluss nachdenken konnte. Anna kam herein, und Alexandra kam sich wieder verletzt und betrogen vor, obwohl sie diese Gefühle doch ignorieren wollte.
»Dein Vater hat mir gesagt, dass du nicht zum Essen kommen wirst«, sagte Anna.
»Ich habe genug mit Packen zu tun.«
Anna konnte die Bitterkeit in ihrer Stimme nicht überhören. »Es tut mir so leid, Alex. Ich weiß, dass du momentan noch gegen diese Heirat bist, aber du muss t zugeben, dass dein Vater einen ausgesprochen gutaussehenden Mann für dich ausgesucht hat.«
Einen ausgesprochen gutaussehenden, niederträchtigen Mann, über den sie jetzt nicht sprechen würde. »Du hast von der Verlobung gewusst ?« fragte Alexandra statt dessen, als ob dies angesichts von Annas Verbindung zum Baron nicht selbstverständlich gewesen wäre.
Anna zuckte zusammen. »Ja, und dein Vater hat alle meine Einwände angehört, die ich dazu vorgebracht habe. Es waren eine ganze Menge. Aber er wollte einfach nicht auf mich hören.«
»Du hättest mich warnen können, Anna.«
»Liebes, ich bin deine Freundin, aber du weißt, dass meine Loyalität deinem Vater gehört.«
Alexandra wusste es. Sie hatte nie etwas gegen Annas Beziehung zu ihrem Vater gehabt. Sie hoffte sogar, dass Anna eines Tages nachgeben und ihn heiraten würde. Alexandra wusste , dass dies auch der Wunsch ihres Vaters war. Und sie hätte wissen müssen, dass Anna niemals etwas derart Archaisches wie eine arrangierte Verlobung gutheißen und immer auf ihrer Seite stehen würde.
»Ich glaube, dein Vater hatte Angst, dass du weglaufen würdest, wenn du es vorher gewusst hättest«, fuhr Anna fort.
Wenn Alexandra es gewusst hätte und nicht weggelaufen wäre, würde sie jetzt wünschen, sie hätte es getan, anstatt zu wünschen, sie hätte diese Wahl gehabt. Aber sie hatte sich wieder beruhigt und lächelte Anna sogar an. Anna war bestimmt nicht schuld daran, dass alles so gekommen war.
»Mach dir keine Sorgen. Ich weiß, was ich tun muss «, sagte Alexandra wahrheitsgemäß, da sie damit nicht die Heirat meinte. »Kümmere dich bitte um Papa.«
»Das werde ich tun. Und das weißt du auch.«
»Du könntest ihn auch schon ein wenig auf meine Rückkehr vorbereiten.«
Anna war zunächst bestürzt über diese Bemerkung, aber dann muss te sie lachen. »Warum habe ich das Gefühl, dass du damit nicht deinen Besuch meinst?«
Alexandra spürte plötzlich wieder die ganze Bitterkeit, die sie empfand, und mit wehem Herzen schwor sie: »Wenn sich herausstellen sollte, dass ich nur zu Besuch kommen werde,
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