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Was der Nachtwind verspricht

Was der Nachtwind verspricht

Titel: Was der Nachtwind verspricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Lindsey
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diesem Moment einen finsteren Blick zugeworfen hätte. Er war schon wütend genug auf sie, aber als sie ihn jetzt ansah, wurde sein Zorn nur noch mehr entfacht.
    Erstaunlich überzeugend sagte er: »Behaltet sie. Ihr würdet mir einen Gefallen tun.«
    Alexandra war mehrere Meter von ihm entfernt, aber selbst über diese Entfernung hinweg konnte Wassili hören, wie sie entrüstet nach Luft schnappte. Auch Pawel blieb ihre Empörung nicht verborgen. Es war offensichtlich, dass er an ihr eigentlich kein Interesse hatte. In ihrer Kosakenkleidung bot sie keinen sehr verlockenden Anblick. Aber da sie nun einmal seine Aufmerksamkeit erregt hatte, ging er zu ihr hinüber und hob ihr Kinn, um ihr ins Gesicht sehen zu können.
    Eigentlich hätte nichts passieren können. Ihre Hände waren auf dem Rücken zusammengebunden. Um sie herum standen die Räuber.
    Aber sie trat mit dem Fuß nach ihm - und traf.
    Pawel heulte vor Schmerz laut auf. Einige seiner Männer lachten und machten dadurch alles noch schlimmer. Nachdem er eine Weile auf einem Bein im Schnee herum gehopst war und dabei gleichzeitig sein Schienbein massiert hatte - es war völlig unverständlich, wieso er dabei nicht ausrutschte -, stand ihm die Mordlust im Gesicht geschrieben. Alexandra würde seinen ganzen Zorn zu spüren bekommen.
    Wassili hatte sich den beiden unauffällig genähert, aber er war immer noch zu weit entfernt, um zu verhindern, dass Pawel seine geballte Faust in Alexandras Gesicht schmetterte. Es gab nur eine Möglichkeit, ihn davon abzuhalten: Er muss te sich auf ihn stürzen.
    Als sich beide im Schnee wiederfanden, blickte Pawel ungläubig zu ihm hoch. Wassili blickte ebenso erstaunt zurück. Die Kälte hatte offensichtlich nicht nur seine Hände und Füße, sondern auch seinen Verstand taub gemacht. Es gab keine andere Erklärung für sein idiotisches Verhalten. Pawels Männer hatten ihn nur deshalb noch nicht erschossen, weil sie völlig überrascht waren und einfach nicht begreifen konnten, wie jemand imstande war, etwas so Dummes zu tun.
    Dadurch bekam er Zeit, Pawel wieder auf die Füße zu helfen, ihm den Schnee von der Kleidung zu klopfen und zu sagen: »Tut mir leid, aber außer mir darf niemand sie schlagen. Eine kleine Marotte von mir.«
    Er hätte es besser in kardinisch sagen sollen, das Pawel ganz gut verstand, denn Alexandra hatte sich genau diesen Moment ausgesucht, um zu beweisen, dass sie ihre Stimme noch nicht ganz verloren hatte. »Das werdet Ihr bereuen, Petroff.«
    Er sah nicht in ihre Richtung, als er erwiderte: »Mädchen, du hast bis jetzt geschwiegen. Es wäre besser, du würdest das auch in Zukunft so halten.«
    Pawels Blick wanderte von Wassili zu Alexandra und wieder zurück, aber plötzlich schien sich seine Laune abrupt zu verbessern. Er lächelte beinahe, als er zu Wassili sagte: »Das wird Euch ein Vermögen kosten.«
    Wassili seufzte. »Das habe ich mir schon gedacht.«

22
    Das Essen war gut, aber Wassili war das warme Feuer viel wichtiger. Er war immer noch bis auf die Knochen durchgefroren, trotz des Lehmofens in der Mitte des Raumes, der alle anderen zu wärmen schien. Latzkos Haus bestand aus einem einzigen großen Zimmer, das als eine Art Versammlungsraum für das Dorf und als Schlafstätte für die unverheirateten Männer der Siedlung diente.
    Wassilis Hände waren nicht mehr taub, aber der getaute Schnee war in seine Stiefel geflossen und hatte seine Füße, die immer noch eiskalt waren, durchweicht. Ihm würde erst dann wieder richtig warm werden, wenn er seine feuchte Kleidung ausziehen konnte. Alexandra ging es vermutlich ebenso.
    Sie sagte jedoch kein Wort und ignorierte geflissentlich alle Anwesenden - ihn selbst eingeschlossen. Oder sollte man sagen, ganz besonders ihn? Sie saß im Schneidersitz auf einer der vielen Pritschen und hatte einen Teller auf dem Schoß, aus dem sie ihr Essen herauspickte - mit den Fingern natürlich. Der Löffel, den man ihr gegeben hatte, lag neben ihrem Knie auf der Decke. Wahrscheinlich wusste sie überhaupt nicht, wozu er gut sein sollte.
    Wassili hatte sich inzwischen beinahe an ihre E ss sitten gewöhnt, aber ihre Gastgeber waren überrascht gewesen. Selbst die Räuber hatten bessere Tischmanieren als seine Verlobte. Ausnahmsweise war er froh darüber, denn sie hielten sie für eine Bäuerin und daher für bedeutungslos. Er hätte ihr den Hals umgedreht, wenn sie sich plötzlich anständig benommen hätte.
    Sie hatte den dicken, wollenen Rock immer noch bis zum

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