Was der Nachtwind verspricht
schüttelte sie wieder. Ihre Mütze rutschte herunter, und plötzlich fiel ihm ihr Haar ins Gesicht. Es war kalt und seidig und roch nach Frühlingsblumen.
Er wollte sie lieber nicht zu lange festhalten. »Über was für eine andere Frau redet Ihr da?«
» Lasst mich runter!«
»Erst wenn Ihr Euch wieder beruhigt habt«, erwiderte er. »Was für eine andere Frau?«
»Die, von der Euer Freund gesprochen hat...«
»Er ist nicht mein Freund.«
»... als er Euch fragte, ob ich soviel wert sei wie die andere!«
Ihre Stimme klang so zornig, dass ihm endlich klar wurde, warum sie ihn draußen im Schnee so finster angeblickt hatte, als Pawel diese Frage gestellt hatte. »Ihr wart doch nicht etwa eifersüchtig, Alex?«
Er glaubte zu spüren, wie sie sich in seinen Armen vor Verlegenheit wand, aber ihre Antwort war ein bockiges »Beantwortet meine Frage, Petroff«.
»Beantwortet zuerst meine Frage, oder ich erinnere mich vielleicht an das Versprechen, das ich Euch gegeben habe. Ihr wisst doch noch ... falls Ihr mir gegenüber wieder gewalttätig werdet...«
»Mistkerl!«
Seine Arme verstärkten den Griff um ihre Taille gerade so weit, dass er sie zum Schweigen bringen und seinen Satz beenden konnte: »Ich hatte ja eigentlich vor, mein Versprechen eine Zeitlang zu ignorieren, da wir uns momentan in etwas ungewöhnlichen Umständen befinden, aber ...«
»Ich war nicht eifersüchtig«, unterbrach sie ihn. »Nur die Frauen, mit denen Ihr jetzt etwas anfangt, werden die Klinge meines Messers zu spüren bekommen. Ich habe Euch ja gesagt, warum.«
»Ja, ja, weil ich Euch gehöre«, sagte er in einem Ton, der deutlich machte, dass er das schon viel zu oft gehört hatte. »Für mich sieht das aber trotzdem wie Eifersucht aus, Liebling.«
»Egal, was es ist, Ihr habt die schlechteren Karten«, schleuderte sie ihm entgegen. »Wer war die Frau?«
»Königin Tatiana.«
»Wer?«
»Die Frau meines Cousins. Damals war sie jedoch nur eine Prinzessin. Sie ist in Amerika aufgewachsen, nein, eigentlich ist sie dort verlorengegangen, aber das ist eine lange Geschichte, die Ihr sicher nicht hören wollt. Schämt Ihr Euch jetzt wenigstens, weil Ihr mich verdächtigt habt?«
»Euch? Einen Mann ohne jedes Schamgefühl? Ich denke ja gar nicht daran«, entgegnete sie. »Wieviel wurde für sie bezahlt?«
Wassili seufzte. »Fünfhundert Rubel, und bevor Ihr Euch mit einer Prinzessin vergleicht, solltet Ihr wissen, dass dies ein geradezu lächerlich hoher Preis für eine Frau war und Latzko davon ausging, dass er heruntergehandelt würde. Mein Cousin war jedoch viel zu wütend, um zu handeln. Er wollte nur seine Braut zurückhaben. Aber er hat ein schlechtes Beispiel gegeben, indem er den geforderten Preis einfach bezahlt hat. Das ist auch der Grund, weshalb Pawel jetzt so unsinnige Forderungen stellt.«
Ihr Ton wurde ausgesprochen hochnäsig. »Der Preis, den er für meine Pferde fordert, ist ganz und gar nicht lächerlich.«
»Darum geht es nicht, Alex. Wir haben es hier mit einfachen Menschen zu tun, die einfache Bedürfnisse haben. Sie können nur deshalb hier in den Bergen überleben, weil sie nie zu viel nehmen. Die Menschen, die von ihnen ausgeraubt oder entführt werden, ärgern sich lediglich über die Unannehmlichkeiten. Aber wenn sich die Räuber plötzlich zu viel nehmen, wird irgendwann jemand so ärgerlich werden, dass er etwas dagegen unternimmt. Latzko versteht das. Pawel hat leider nicht genug Hirn, um es zu begreifen.«
»Soll das etwa heißen, dass wir gar nicht in Gefahr sind?«
»Wenn Latzko hier wäre, würde das vielleicht stimmen. Da jetzt jedoch Pawel das Sagen hat, bin ich mir da nicht so sicher, insbesondere, wenn es um uns beide geht. Und der Grund dafür ist sein Hass auf Stefan.«
»Ihr könnt mich jetzt wieder loslassen, Petroff.«
Nichts lieber als das. Nachdem er sie so lange festgehalten hatte, kam sein Körper auf Gedanken, die sein Gehirn verzweifelt zu ignorieren versuchte.
»Ihr werdet nichts mehr nach mir werfen?«
»Ich glaube, ich werde mich eine Weile beherrschen können.«
Der Sarkasmus in ihrer Stimme ließ ihre Antwort glaubhafter klingen, als wenn sie es ihm rundheraus versprochen hätte. Ihm war aufgefallen, dass ihre Antworten immer sehr direkt ausfielen, wenn sie wütend war.
Behutsam stellte er sie wieder auf die Erde. Jetzt, da er ihre Wärme nicht mehr spürte, fröstelte es ihn, und er wandte sich sofort wieder dem Feuerholz zu.
Er war sich nicht ganz sicher, wie sie auf
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