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Was der Nachtwind verspricht

Was der Nachtwind verspricht

Titel: Was der Nachtwind verspricht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johanna Lindsey
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hingen einige Strähnen ihres feinen Haars unter der Pelzmütze hervor. Sie erkannte auch einen schwarzen Schmutzstreifen auf ihrem Kinn, von dem sie sich nicht vorstellen konnte, wo er herkam. Ihre Kleidung war natürlich völlig zerknittert, und sie sah müde aus - erschöpft, um genau zu sein -, aber das war ebenfalls keine Überraschung für sie. Wegen der Karren hatten sie für eine Reise, die man in drei Wochen schaffen konnte, fünf Wochen gebraucht, aber Wassili hatte es dennoch fertiggebracht, sie fast den ganzen Tag über auf den Beinen zu halten. Die Ringe unter ihren Augen waren jedoch eine Folge ihres Schlafmangels - die leise Stimme, die sie die letzten Tage über so gemartert hatte, begann mit ihren Vorhaltungen vorzugsweise spät nachts.
    Sie fragte sich, ob sie sich freuen sollte, dass sie so kurz vor der ersten Begegnung mit Wassilis Mutter so grauenhaft aussah, oder ob sie sich in den wenigen Minuten, die sie hier verbringen würde, nicht besser um ihr Äußeres kümmern sollte. Gegen die Ringe unter ihren Augen konnte sie nichts tun, aber Wassili hatte bestimmt jemanden in seinen Diensten, der ihre Kleidung bügeln konnte. Das Haar war einfach zu ...
    »Meister!«
    Alexandra fuhr herum. Sie sah, wie Wassili die Augen verdrehte, dann hörte sie das Geräusch von eiligen Füßen auf der Treppe. Eine kleine, schwarzhaarige Frau in einem fließenden, geblümten Kaftan aus Seide - so dünn, dass er wohl eher für das Schlafzimmer gedacht war - eilte ihnen entgegen. Sie schien Anfang Zwanzig zu sein, mit einem hübschen Gesicht und langem, schwarzen Haar, das ihr fast bis zu den Knien hing. Große braune Augen und ein zarter Körper mit anmutigen Bewegungen. Sie wirkte exotisch und sinnlich.
    Alexandra hob eine Augenbraue. Die Frau war noch nicht in ihrer Nähe, als sie zu Wassili sagte: »Meister?«
    »Fatima war Sklavin, als sie mir geschenkt wurde«, sagte er aufgebracht. »Ich habe sie freigelassen, aber sie wurde in einem Harem geboren und besteht darauf, mich ...«
    An diesem Punkt muss te Alexandra ihn unterbrechen, denn Fatima hatte sie erreicht und wollte sich Wassili gerade an den Hals werfen. »Moment mal«, sagte sie. Ihre Stimme klang so gebieterisch, dass sie damit ein ganzes Bataillon gestoppt hätte. Die Ex-Sklavin gehorchte sofort.
    Seltsamerweise war Alexandra nicht wütend, obwohl die Stellung der Frau in diesem Haus ganz eindeutig war. Eigentlich hätte sie wütend sein müssen. Wahrscheinlich wäre sie das vor ein paar Tagen auch noch gewesen. Aber heute war sie vor lauter Hoffnungslosigkeit so niedergeschlagen, dass es kaum noch Platz für andere Gefühle gab.
    Hätte sie nicht um Wassilis willen konsequent bleiben müssen, so hätte sie das Mädchen vielleicht nicht aufgehalten, wäre vielleicht sogar leise gegangen, damit sich die beiden Liebenden begrüßen konnten. Wenigstens verstand sie jetzt, warum er sie nicht hatte hierherbringen wollen. Und sie sah genau, dass er auf ihren Angriff vorbereitet war und das Schlimmste erwartete.
    Daher überraschte es ihn, als sie zu Fatima lediglich sagte: »Du wirst dir einen anderen Arbeitsplatz suchen.«
    »Aber ich lebe hier, Madame.«
    »Jetzt nicht mehr. Dein Meister wird bald heiraten.«
    Fatima wandte sich Wassili zu. Offensichtlich glaubte sie, dass er als Mann das letzte Wort zu diesem Thema haben würde. Und damit seine Entscheidung auch sicher zu ihren Gunsten ausfallen würde, erschienen in ihren hübschen Augen große, dicke Tränen.
    Das war es, was Alexandra schließlich doch wütend machte. Von allen Waffen, die den Frauen zur Verfügung standen, muss te sie natürlich Tränen einsetzen, um an seinen Beschützerinstinkt zu appellieren. Als ob er überhaupt einen solchen Instinkt hätte! Es war wohl eher ein anderer Instinkt, an den sie appellierte, aber das würde Alexandra nicht mitansehen.
    Wassili sah, wie sie die Peitsche von ihrem Gürtel losmachte, aber sie hatte bereits einmal damit geknallt, bevor er sie erreichte. Als er die Peitsche knallen hörte, muss te er wieder an die schmerzhaften Striemen auf seinem Körper denken, aber das hätte ihn nicht abgehalten, wenn sie damit auf Fatima losgegangen wäre. Doch da Alexandra lediglich mit der Peitsche geknallt hatte, um Fatimas Aufmerksamkeit zu erwecken, und jetzt sogar dabei war, die Peitsche wieder aufzurollen, ent schloss er sich, sie nicht weiter in Versuchung zu führen ... nicht, wenn er es vermeiden konnte.
    Er riss ihr die Peitsche aus der Hand, aber sie warf

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