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Was der Winter verschwieg (German Edition)

Was der Winter verschwieg (German Edition)

Titel: Was der Winter verschwieg (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Wiggs
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besaß sie die doppelte Staatsbürgerschaft. Die USA waren zwar kein Mitglied des ICC, doch der Rest der Welt arbeitete zusammen daran, Kriegsverbrecher zu verfolgen, deshalb nahm Sophie ihre Aufgaben bei Gericht als kanadische Staatsbürgerin wahr. Sie setzte ihr schönstes Fotolächeln auf und betrat den Ballsaal, der ins goldene Licht der Kronleuchter und Wandlampen getaucht war. Der Applaus der anderen Gäste brandete ihr entgegen. Trotz der warmherzigen Begrüßung wusste sie, dass sie den Abend so verbringen würde, wie sie alle großen Momente ihres Lebens verbracht hatte – allein.
    Sie verscheuchte die trüben Gedanken mit einem Glas Champagner, das ihr von einem großen, ungelenken Kellner gereicht wurde. Sie würde sich diesen Abend nicht durch negative Gedanken kaputt machen lassen. Immerhin traf man nicht jeden Tag eine echte Königin und nahm die Freiheitsmedaille einer dankbaren Nation entgegen.
    Den Haag war eine königliche Stadt, Sitz der niederländischen Regierung, und Königin Beatrix war unermüdlich, wenn es darum ging, ihre offiziellen Pflichten wahrzunehmen. Englands Königsfamilie hatte zwar ihre Skandale, aber die Familie Oranje-Nassau von Holland hatte eine Monarchin, die so hart arbeitete wie jeder Beamte. Sicherheitsagenten in Zivilkleidung patrouillierten diskret am Rand des Ballsaals, ließen ihre rastlosen Blicke durch den Raum gleiten. Es war eine internationale, feierliche Versammlung. Weiter hinten stand eine Frau mit einem Kopftuch, ihr stufiges Kleid ein heller Mix aus bunten Farben. Eine andere Frau trug einen Kimono. Mehrere Männer trugen bunte Dashikis, die Westeuropäer in ihren Maßanzügen hatten Frauen in Abendkleidern an ihrer Seite. In diesen Augenblicken fühlte Sophie sich lebendig und voller Energie und erlaubte sich, zu vergessen, was mit ihrer Familie passierte. Die Kinder des Chors in ihren gestärkten Schuluniformen und dem zahnlückigen Lächeln sangen voller Inbrunst; ihre hellen Stimmen erfüllten den riesigen, im gotischen Stil erbauten Saal. Die Musik war eine Mischung verschiedener Kulturen – traditionelle Lieder zu Epiphania wie
Il Est Né, Le Divin Enfant
und Ç
a Bergers
, aber auch einheimische Tanzlieder und ein gesummtes, feierliches Kirchenlied.
    Jetzt setzte der Chor zu
Impuka Nekati
an, einem temperamentvollen Lied über die Jagd zwischen Katz und Maus. Es war erstaunlich, dass diese Kriegswaisen immer noch singen konnten. Sophie hätte am liebsten jede einzelne von ihnen mit nach Hause genommen. Sie erkannte einige von ihnen vom Anfang der Woche wieder, als sie dem Team der Anklage Blumen gebracht hatten.
    Sophies Kampf gegen länderübergreifende Verbrechen gegen Kinder nahm all ihre Zeit und Aufmerksamkeit in Anspruch, und diejenigen, die dafür bezahlen mussten, waren ihre eigenen Kinder. Wie viele Vorführungen und Veranstaltungen von Max und Daisy hatte sie wegen ihrer Arbeit verpasst? Hatten ihr Sohn oder ihre Tochter jemals mit vor Freude strahlenden Gesichtern gesungen? Oder war ihnen das Herz schwer geworden, wenn sie ihren Blick über die Zuschauer schweifen ließen und ihre Mutter nirgendwo entdecken konnten? Lieber Gott, wie sehr sie wünschte, die beiden könnten jetzt hier sein, um zu sehen, wofür sie all diese Opfer gebracht hatten. Vielleicht würden sie es dann verstehen. Vielleicht würden sie ihr dann vergeben.
    Da war ein Mädchen mit knochigen Knien und großen weißen Zähnen, das sang, als wenn es ums Überleben ginge. Als das Lied endete, ging Sophie zu ihr. „Du singst wunderschön“, sagte sie.
    Oh, dieses Lächeln. „Danke,
madame“
, sagte das Mädchen und fügte verlegen hinzu: „Ich heiße Fatou. Ich komme aus dem Dorf Kuumba.“
    Mehr musste die Kleine nicht erklären. Die Attacke der Miliz auf das Dorf gehörte zu den schlimmsten Kriegsgräueln. Sophie erinnerte sich an die Berichte über Kuumba und verspürte erneut eine unbändige Wut auf die Männer, die ihre unmenschlichen Taten an Kindern wie Fatou verübt hatten.
    Was diese samtigen braunen Augen gesehen, was dieses Kind durchlitten hatte. Sophie fragte sich, wie Fatou überhaupt noch aufrecht stehen konnte, wie sie sich der Welt stellen, ihren Mund öffnen und singen konnte.
    „Ich bin so froh, dass du jetzt hier und in Sicherheit bist“, sagte Sophie.
    „Ja,
madame
. Danke sehr,
madame
.“ Das Mädchen lächelte.
    Und dieses Lächeln spiegelte all die Gründe wider, warum Sophie tat, was sie tat, warum sie weit entfernt von ihrer Familie lebte

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