Was der Winter verschwieg (German Edition)
Stiefel auf der Veranda abtrat, und öffnete die Tür. „Da bist du ja“, rief sie aus. „Ich freue mich so, dich zu sehen.“
„Hey.“
Er umarmte sie kurz, eine Geste, die mehr von Toleranz denn von Zuneigung zeugte.
Sophie merkte, dass sie vor sich hin plapperte, konnte es aber nicht verhindern. „Du kannst deine Jacke gleich hier an den Haken hängen. Komm, ich zeig dir dein Zimmer. Wie wäre es mit einem Snack? Erzähl, wie war dein Tag …“ Sie hielt inne. „Tut mir leid. Ich wollte dich nicht gleich so überfallen. Ich bin nur so aufgeregt.“
„Schönes Haus“, sagte Max. Er ließ seinen Blick über die Möbel im klassischen Adirondack-Stil schweifen, über die karierten Decken, die tanzenden Flammen hinter der Glasscheibe des Ofens.
Sophie nickte. „Mir gefällt es hier auch, obwohl es ein bisschen weit weg vom Schuss ist. Die Wilsons waren so nett, es mir für eine Weile zu überlassen.“
„Wann musst du hier wieder ausziehen?“
Ah, dachte sie, ein Test. „Sobald ich ein eigenes Haus gefunden habe. Ich werde in Avalon bleiben, Max.“
„Das kapier ich nicht.“
„Ich weiß. Aber irgendwann wirst du es verstehen. Bist du bereit für einen Snack? Die Nachbarin hat ein paar Muffins vorbeigebracht. Ich kann uns eine heiße Schokolade dazu machen. Du magst doch heiße Schokolade?“
„Ich bin eigentlich eher ein Kaffeetrinker.“
Sie brauchte einen Moment, um zu merken, dass er einen Witz machte. „Kaffee verlangsamt dein Wachstum.“
„Stimmt.“
Während sie einen Topf mit Milch auf den Herd stellte, erkundete Max den Rest des Hauses. Das Panoramafenster mit direktem Blick auf den See zog ihn magisch an. Dieser Ausblick war der ganze Sinn und Zweck des Hauses, das Fenster ein Rahmen für die wilde Schönheit der Natur. Ihm schien auch die Lampe von den Niagarafällen mit dem bewegten Schirm zu gefallen. Wie alle Kinder – und Sophie auch – stellte er sich auf Zehenspitzen, um von oben hineinzuschauen, wie der Wasserfall funktionierte.
„Das ist ganz interessant, oder?“, sagte sie. „Ich meine, es ist nur ein farbiges Rad, das sich dreht, aber von außen sieht es ziemlich echt aus.“
„Hm-mh.“ Er tat unbeeindruckt. „Ich hab gehört, hier draußen gibt es kein Kabelfernsehen?“
„Stimmt, hier draußen kann man nur drei oder vier Sender empfangen. Ich habe aber auch noch nicht viel ferngesehen.“ Sie gab einen Löffel holländisches Kakaopulver in den Topf. Das gehörte zu den wenigen Sachen, die sie aus den Niederlanden mitgebracht hatte. Die beste heiße Schokolade, die sie kannte. „Was schaust du denn gerne?“, wollte sie wissen. „Hast du eine Lieblingssendung?“
„Was halt so im Kabelfernsehen läuft“, erwiderte er.
Oje.
Wenn sie ihn früher besucht hatte, war jeder gemeinsame Tag etwas Besonderes gewesen, und fernzusehen wäre keinem von ihnen eingefallen. Doch jetzt, wo sie hier wohnte, würden die Besuche alltäglicher werden, und vermutlich würden auch Themen wie Fernsehen wichtig werden. Daran hatte sie noch gar nicht gedacht.
„Ich habe einen DVD-Player“, sagte sie. „Und in dem Schränkchen da unten gibt es eine nette Auswahl an Filmen. Da sind sogar einige meiner Lieblingsfilme dabei.“
„Du hast einen Lieblingsfilm?“
„‚Harold und Maude‘“, sagte sie, ohne nachzudenken. Natürlich war das ihr Lieblingsfilm. Sie konnte gar nicht glauben, dass es nicht jedem Menschen so ging.
„Kenn ich nicht.“ Er öffnete den Schrank und schaute sich die Sammlung an. Sein ausdrucksstarkes Gesicht zeigte sehr deutlich, dass er mit der Auswahl der Wilsons an ausländischen und künstlerisch wertvollen Filmen nichts anfangen konnte.
„Wir können ihn uns zusammen anschauen“, schlug Sophie vor.
„Worum geht es denn?“
„Um einen Jungen, dessen dominante Mutter ihn in den Wahnsinn treibt.“
„Klingt nach ’nem richtigen Schenkelklopfer.“
Der Nachmittag zog sich ein wenig zäh dahin. Max verdrückte vier Muffins, machte seine Hausaufgaben, schlug eine Partie Cribbage aus und hielt genau sieben Minuten von „Judge Judy“ durch, der Gerichtsshow im Fernsehen. Sophie machte alles noch schlimmer, indem sie darauf bestand, besonders früh loszufahren, um seine beiden Freunde zum Eishockeytraining abzuholen, nur für den Fall, dass die Straßenverhältnisse sich wieder verschlechtert hatten. Als Resultat waren sie viel zu früh und saßen mit laufendem Motor im Auto, während die Jungen ihre Sachen zusammensuchten. Sie hoffte,
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