Was der Winter verschwieg (German Edition)
hätten sie schon ein ganzes Leben zusammen verbracht. Genauestens berichtete er von all ihren Angewohnheiten und Vorlieben, von ihrer Lieblingsdecke aus Fleece in ihrer Box bis zu ihrer Neigung, verspielt nach dem Schnee zu schnappen, wenn sie draußen spazieren gingen.
„Da hast du dir aber ein schönes Projekt vorgenommen“, sagte Greg zu Sophie.
Sie konnte keinen Sarkasmus in seiner Stimme heraushören, daher erwiderte sie freundlich: „Ja. Sieht ganz so aus.“
„Jetzt kann ich es kaum erwarten, bis wieder Wochenende ist“, rief Max aufgeregt. „Ich kann doch wieder mit dem Schulbus zu dir kommen, oder, Mom?“
Sophie schaute zu Greg, der unmerklich nickte.
Danke.
„Ja, klar, meinetwegen gerne.“ Sie machte sich nicht vor, dass Max’ Vorschlag irgendetwas mit ihr zu tun hatte. Die beste Mom der Welt könnte nicht mit einem Welpen konkurrieren.
Dann sagte Max zu ihrer großen Überraschung: „Mom hat in einer Rockband mitgespielt.“
Fragend schaute Greg ihn an. „In einer Rockband?“
„Ja, mit dem Typen von der anderen Straßenseite. Und rate mal, wer der Bassist war? Bo Crutcher!“
„Ich habe sie schon mal spielen gehört“, sagte Nina. „Sie nennen sich Inner Child und sind echt ganz gut. Sie werden beim diesjährigen Winterkarneval auftreten.“
Sophie lächelte und merkte, wie ihre Wangen warm wurden. Dann fiel ihr ein, dass sie Noah noch immer nicht wegen des Hundes zur Rede gestellt hatte. „Max kann euch ja alles Weitere erzählen. Ich muss jetzt leider los.“ Sie nahm den Welpen an die Leine.
Max streichelte den Hund ein letztes Mal und gab ihm einen Kuss auf die Stirn. Dann umarmte er seine Mutter kurz. „Bis dann, Mom.“
„Ich pass gut auf Opal auf“, sagte sie. „Versprochen.“
Am nächsten Tag stand Sophie auf, fütterte Opal, ging mit ihr in den Garten und brachte sie dann wieder für ein Nickerchen in ihre Box. Ein Welpe, dachte sie, ist wesentlich unkomplizierter als ein Baby. Was aber nicht bedeutete, dass Noah einfach so davonkommen würde. Als ihr Telefon klingelte, schaute sie auf die Anruferkennung, konnte die Nummer aber nicht entziffern. In den letzten Monaten hatte sie schon öfter vermutet, eine Lesebrille zu benötigen, aber noch weigerte sie sich. Lesebrillen waren was für alte Leute, oder?
„Sophie Bellamy“, meldete sie sich.
„Sophie, hier ist dein Vater.“
„Und deine Mutter.“
Ihre Eltern hatten das Telefon auf Lautsprecher gestellt, wie sie es immer taten, wenn sie gemeinsam mit ihr sprechen und sie davon überzeugen wollten, dass sie gerade einen riesigen Fehler machte.
„Hallo.“ Sophie lächelte, als sie ihnen eine Zusammenfassung des letzten Wochenendes gab. Während sie sprach, spürte sie den Druck, ihr Leben wichtig und bedeutend erscheinen zu lassen. So ging es ihr bei ihren Eltern immer.
„Das klingt, als hätten du und Max eine wundervolle Zeit miteinander gehabt“, bemerkte ihre Mutter.
Sofort wurde Sophie misstrauisch. „Ihr habt doch nicht angerufen, um euch zu erkundigen, wie mein Wochenende war.“
„Wir wollten gerade sagen, dass dein Sabbatical eine gute Idee ist“, ergänzte ihr Vater. „Wenn du in den Beruf zurückkehrst, wirst du viel besser für die Herausforderungen des internationalen Rechts gerüstet sein.“
Sophie umklammerte den Hörer fester. „Dad, ich habe es schon mal gesagt und auch so gemeint: Ich werde nicht zurückgehen.“
„Ach Süße“, meldete sich ihre Mutter erneut zu Wort. „Du brauchst nur ein wenig Zeit. Nicht mehr lange, und du würdest dafür sterben, wieder vor Gericht zu stehen und das zu tun, was du nun mal am besten kannst.“
„Sterben, Mom?“
„Tut mir leid. Ich habe mich ungeschickt ausgedrückt. Sophie, wir können uns nicht mal ansatzweise vorstellen, was du durchgemacht hast, aber wir wissen, wie stark du bist.“
„Mom, Dad. Das hier ist jetzt mein Leben. Ich wohne in Avalon, damit ich bei Max und Daisy sein kann. Ich bin eine Mutter, die einmal die Woche den Fahrdienst zum Eishockeytraining übernimmt und dabei einen samtenen Jogginganzug trägt.“
„Also wirklich, Sophie.“ Ihre Mutter lachte nervös.
Sophie konnte nicht widerstehen, noch ein wenig mehr Öl ins Feuer zu gießen. „Und ich habe auch schon jemanden kennengelernt. Er heißt Noah und wohnt auf der anderen Straßenseite auf der ehemaligen Milchfarm seiner Eltern.“ Sie hielt inne und lauschte der Stille, die ihrem Geständnis folgte. „Hallo? Einer von euch muss was sagen, damit
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