Was der Winter verschwieg (German Edition)
anzuschauen.
„Warum nicht?“
„Ich bin ihretwegen hierhergekommen. Nicht … hierfür. Nicht um jemanden kennenzulernen und etwas mit ihm anzufangen. Sie würden es nicht verstehen.“ Endlich drehte sie sich zu ihm um und sah ihn an. „
Ich
verstehe es ja selbst nicht.“
„Hör auf, dir Gedanken zu machen. Ich bin in dich verliebt, und ich glaube, dass du ebenso für mich empfindest. Das versteht jedes Kind. Wovor hast du wirklich Angst, Sophie?“
Davor, wie sehr es wehtun wird, wenn es vorbei ist.
„Noah, ich habe keine …“
Es klingelte an der Tür, dann hörten sie, wie jemand sich den Schnee von den Schuhen klopfte. „Hey, Noah!“
„Von der Klingel gerettet.“ Er gab ihr einen kurzen, intensiven Kuss. Es klingelte erneut. „Die Jungs sind da.“
„Wusstest du, dass sie kommen?“
„Klar. Ich hatte ihnen Spaghetti versprochen, und danach wollen wir üben.“ Er hob ein Flanellhemd vom Boden auf und roch kurz daran.
„Wie nett, es mir zu sagen. Jetzt sitze ich in der Falle. Sie werden sicher denken, dass wir miteinander geschlafen haben …“
„Ich weiß nicht, wie es bei dir war, aber ich habe nicht eine Sekunde geschlafen. Mach dir keine Sorgen, sie werden schon nicht loslaufen und dich bei deinen Kindern verpetzen.“ Das Hemd war offensichtlich noch okay, denn er zog es an.
„Du weißt genau, was ich meine, und sie tun es auch.“
„Das sind meine Freunde. Sie mögen dich. Sie werden sich für uns freuen.“
„Ich weiß. Mir wäre es nur lieber, ich würde das – also uns – lieber für mich behalten.“ Kurz blitzten Wut und Verletztheit in seinen Augen auf. „Meinetwegen“, fügte sie hastig hinzu. „Nicht deinetwegen. Es ist nur, ich bin neu in der Stadt, und alles, was die Leute von mir wissen, ist, dass ich die Exfrau des heiligen Greg Bellamy bin, die Frau, die ihre Kinder im Stich gelassen hat, um in Europa zu leben. Ich will einfach nicht, dass sie auch noch denken, ich poppe wahllos in der Gegend herum.“
„Das tust du doch auch nicht. Du schläfst mit mir.“ Er fand seine Baseballkappe, die er beim Schlagzeugspielen immer mit nach hinten gedrehtem Schirm aufsetzte.
„Ja, aber …“
„Hör mal, du bist nicht hierhergezogen, um Nonne zu werden oder wie eine zu leben. Du bist hergezogen, um näher bei deinen Kindern zu sein. Und um ein Leben zu haben, nehme ich an.“ Er breitete die Arme aus. „Und abgesehen davon, ich bin doch echt ein guter Fang, oder?“ Er hatte das Modebewusstsein eines Landmaschinenverkäufers und ein Lächeln, das ihr den Atem raubte. Sie konnte nicht sagen, woran genau es lag, aber in seiner Nähe ging ihr das Herz auf, und sie fühlte sich wohl in ihrer Haut; er gab ihr das Gefühl, es mit der ganzen Welt aufnehmen zu können.
Ihre Abende hatten bisher immer daraus bestanden, allein vor dem Computer zu sitzen und ihre Fälle durchzugehen. Jetzt verbrachte sie ihre Abende mit Freunden oder ihrer Familie – oder mit einem Mann, der gerade gesagt hatte, dass er sie liebte.
26. KAPITEL
S ophie plante einen Nachmittag im Mohonk Mountain House mit Max und Daisy. Die Ausflüge, die sie im Laufe der Jahre gemeinsam unternommen hatten, zählten zu ihren liebsten Erinnerungen. Sie waren zu Orten gefahren, die sie noch nicht kannten, und hatten gemeinsam neue Erfahrungen gemacht. Sophie rief sich gern in Erinnerung, dass sie einmal eine glückliche Familie gewesen waren, und wollte glauben, dass sie das auch wieder werden könnten. Bei dem Ausflug wollte sie niemanden sonst dabeihaben, weil sie etwas mit ihren Kindern zu besprechen hatte.
Außerdem hatte sie eine Überraschung für Max und Daisy. Tariq war wegen einer Gerichtsangelegenheit in New York und würde sie in dem historischen Resort treffen. Sophie hatte schwer dafür gearbeitet, sich ein neues Leben aufzubauen, aber ein Teil von ihr vermisste ihr anderes Leben sehr – vor allem Tariq fehlte ihr.
Die Anlage war in den 1860er-Jahren von der Familie Smiley gebaut worden und befand sich bis heute in deren Besitz. Während ihres Studiums der internationalen Rechtswissenschaften war Sophie hier öfter zu Gast gewesen. Es war Amerikas einziges echtes Schloss mit beeindruckenden Salons und Gästezimmern, Ställen und einem Irrgarten, einer Eislaufbahn, einem angelegten Park, einem Golfplatz, kilometerlangen Wegen durch das Naturschutzgebiet und einer umwerfenden Aussicht aus jedem seiner vielen Fenster. Hoch über den Granitfelsen gelegen, die sich über den Lake Mohonk
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