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Was Die Liebe Naehrt

Was Die Liebe Naehrt

Titel: Was Die Liebe Naehrt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselm Gruen
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Mensch
     findet seine höchste Entfaltung nur in der Selbst-Hingabe. Wer ängstlich an sich selber festhält, geht sich selber am radikalsten verloren. Wer sich
     selbst hingibt, findet zu seiner Fülle.«
    Um Hingabe geht es auch in der Beziehung zu Gott. Hingabe heißt, dass ich mich ganz und gar auf Gott einlasse. Diese Hingabe erleben wir aber nicht nur
     gegenüber Gott. Wir geben uns auch einer Musik hin. Wir spielen auf der Geige und vergessen dabei, wie wir auf andere wirken. Wir werden durchlässig für
     etwas, das größer ist als wir. Wir spüren den Unterschied zwischen einem Sänger, der technisch perfekt singt und einem, der durchlässig ist für die Musik,
     durch den hindurch »ES« singt. Da werden wir als Zuhörer ganz anders angerührt. Da klingt in unserer Seele etwas wider. Auch in der Spiritualität gibt es
     den Unterschied. Da gibt es Menschen, die eine konsequente Askese leben oder täglich zwei Stunden meditieren. Aber sie tun es, damit sie sich als
     spirituelle Menschen fühlen. Sie kreisen letztlich um das eigene Ego. Und es gibt Menschen, die sich in ihrer Ohnmacht in Gott hinein ergeben. Sie
     berühren wirklich Gott. Sie vergessen sich selbst und ihre Wirkung auf andere. Und gerade so fühlen sie sich ganz präsent, frei, erfüllt, lebendig, voller
     Liebe. Diese Haltung gilt es auch in der Paar-Beziehung einzuüben. Die Hingabe gipfelt in der sexuellen Hingabe. Die sexuelle Vereinigung gelingt nur,
     wenn die Partner sich gegenseitig hingeben, ohne nur auf die eigene Lust oder Gier zu schauen. Dann werden sie wirklich frei von sich selbst und erleben
     in der Vereinigung höchstes Glück. Aber dieses Glück kann man nicht festhalten. Es braucht immer wiederAugenblicke der Hingabe, um an
     dieses Glück zu rühren. Die Hingabe, die in der Sexualität gipfelt, will aber ganz konkret im Alltag eingeübt werden. Wenn die Mutter hingebungsvoll für
     die Kinder sorgt, wenn sie sich voller Hingabe auf die Alltagsarbeit des Haushalts einlässt, wenn der Mann seine Frau voller Hingabe pflegt, wenn sie
     krank ist, dann geschieht in diesen Augenblicken das Glück des »Sich-Vergessens«. George Bernanos meint einmal, es sei eine große Gnade, sich selber
     annehmen zu können. Wir wissen alle, wie schwer es uns fällt, uns mit all unseren Grenzen anzunehmen. Aber die Gnade aller Gnade besteht darin, sich
     selbst vergessen zu können. Denn in dem Augenblick, in dem ich mich vergesse, bin ich ganz präsent. Da kreise ich nicht mehr um meine Bedürfnisse. Da
     frage ich mich nicht danach, wie ich mich fühle, was mir der Einsatz bringt, was mir die Hingabe bringt. Da gebe ich mich einfach hin, da werde ich frei
     von mir selbst. Das ist genau das, was Jesus auch mit Selbstverleugnung meint: frei zu werden von der Herrschaft des Ego, das alles auf sich bezieht und
     immer nach dem eigenen Nutzen und Vorteil fragt. Die spirituelle Haltung der Selbstverleugnung nährt auch die Beziehung zwischen Mann und Frau. Jeder für
     sich wird in der Hingabe genährt und zugleich nährt er den anderen mit seiner Hingabe, ohne von ihm etwas zu fordern.
Realismus und Bescheidung
    Das, was der spirituelle Begriff der Hingabe meint, können wir auch bescheidener ausdrücken: Es ist der Realismus der Bescheidung. Wir
     benutzen heute das Wort »bescheiden« oft im Sinn von »genügsam, anspruchslos«. Vom Ursprung her stammt das Wort aus der Richtersprache. Der Richter gibt
     uns einen Bescheid. Er teilt uns etwas zu. Unsere Reaktion auf den Bescheid des Richters ist, dass wir uns bescheiden, dass wir uns damit einverstanden
     erklären und keine weiteren Ansprüche stellen. Der Realismus der Bescheidung meint, dass wir an den anderen nicht ständig neue Ansprüche stellen, sondern
     uns mit dem bescheiden, was er ist und was er uns geben kann. Diese Bescheidung ist keine Resignation. Es ist vielmehr Anerkennung des anderen,
     Wertschätzung dessen, was er uns zuteilt, was er uns gibt. Wer sich nie bescheiden kann, wird nie Ruhe finden und er lässt dem anderen keine Ruhe. Er
     stellt immer neue Forderungen an ihn und überfordert ihn damit. Das Miteinander gelingt nur, wenn wir uns bescheiden mit dem, was wir einander zu geben
     vermögen. Diese Bescheidenheit ist heute keine moderne Tugend. Aber sie führt zu einer inneren Freiheit in der Beziehung und zugleich zur Haltung der
     Dankbarkeit. Wenn ich mich auf das einlasse, was der andere mir gibt, dann kann ich es genießen, dann entdecke ich in der

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