Was die Nacht verheißt
Spiegelung ihrer eigenen Ängste und zwang sich, sich dem Arzt zuzuwenden. Sie war überrascht, als sie sein Lächeln sah.
»Ich habe es mir nicht anders überlegt, falls das der Grund Eurer finsteren Mienen sein sollte. Ich bin, wie früher schon, davon überzeugt, dass, wenn Lord Hawksmoor die richtigen Maßnahmen ergreift, eine gute Chance besteht, dass er die Bewegungsfähigkeit seiner Beine zurückgewinnen könnte.«
»Wie kann es sein«, knurrte Marcus, »dass kein anderer aus einem halben Dutzend prominenter Ärzte derselben Meinung ist wie Ihr?«
Der Doktor legte ein seltsames Instrument, das aussah wie ein Hammer, zurück in seine Tasche. »Vielleicht haben sie Angst. Ihr seid ein sehr mächtiger Mann, Mylord. Sollte sich ihr Rat als falsch erweisen, würdet Ihr sehr wahrscheinlich keine gute Meinung mehr von ihnen haben. Im Gegenteil, Euer Zorn könnte sich als heftig erweisen.«
Marcus sah ihn finster an. »Aber Ihr habt keine Angst. Warum, Dr. Merriweather?«
Der Doktor legte das letzte Instrument in seine Ledertasche zurück. »Das ist einfach zu erklären, Mylord. Ich bin noch jung und nicht gut eingeführt. Ich bin bereit, Risiken einzugehen, die andere nicht eingehen wollen. Und ich glaube an mich. Ich bin davon überzeugt, dass es die Chance für Euch gibt, die Fähigkeit zum Gehen zurückzugewinnen, und wenn ich Recht habe, denke ich, dass Ihr extrem dankbar wäret. Ganz einfach ausgedrückt: Für mich ist es das Risiko wert, angesichts des Gewinns, den ich davon haben kann.«
»Und was ist mit dem Risiko, das ich eingehe?«, sagte Marcus.
»Ihr habt nichts zu verlieren und alles zu gewinnen. Unglücklicherweise habt Ihr beinah schon zu lange gewartet. Meiner Erfahrung nach ist es so, dass, wenn der Patient nicht innerhalb der ersten sechs Monate zu üben beginnt, er es wahrscheinlich nie tun wird.«
Da sagte Rex: »Ihr wollt damit sagen, dass es noch nicht zu spät ist, dass es noch an der Zeit wäre für die Muskeln, ihre Arbeit wieder aufzunehmen, wenn mein Bruder sofort mit den Übungen beginnen würde?«
»Das ist meine Meinung.«
»Und was genau sind das für Übungen, um die es hier geht?«, fragte Marcus. Er verhielt sich genau wie immer seit seinem Unfall, versteckte seine Verletzlichkeit hinter einer Wand aus Säure. Doch so sehr er sich bemühte, es zu verbergen, konnte Brandy doch die Hoffnung in ihm spüren. Und sie wollte ihn in jedem Fall dazu bewegen, das Risiko einzugehen.
»Ihr würdet jemanden brauchen, der tagtäglich mit Euch arbeitet«, sagte der Doktor. »Jemanden, der Euch die Beine massiert und hilft, die Muskeln zu stärken. Ich empfehle heiße Bäder der Beine als Hilfsmittel zur Entspannung. Wir würden natürlich auch einiges an Ausstattung brauchen, Geräte, die Euch helfen würden, Euch zu bewegen, Stützen, die Ihr verwenden könntet, während Ihr Eure Beine zwingt, sich zu bewegen.«
»Frederick ist stark genug«, sagte Rex. »Er ist es gewöhnt, dich zu bewegen. Und alle möglichen Geräte zu bauen, die du brauchst, wäre auch kein Problem.«
Marcus schien darüber nachzudenken. »Ja, wenn ich so dumm wäre zuzustimmen, könnte Frederick helfen - teilweise. Aber ich würde mich nicht wohl fühlen, wenn ein Mann mich auf eine derart intime Art bearbeitet, wie Ihr es beschrieben habt.« Er sah Brandy an. »Dafür würde ich die Hilfe von jemand anderem benötigen.«
»Und zwar von wem?«, fragte Rex.
Marcus’ Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, das man nur als animalisch bezeichnen konnte. »Natürlich Miss Winters. Wenn sie einverstanden wäre, bei meinem Training mitzuarbeiten, würde ich zustimmen. Ansonsten bin ich nicht interessiert.«
Der Doktor machte vor Überraschung eine so heftige Bewegung, dass seine Brille bis zu seiner Nasenspitze rutschte. »Miss Winters? Ihr würdet Wert auf die Hilfe einer Frau legen?«
»Das ist doch absurd«, sagte Rex. »Du kannst einer Dame nicht die Art von Intimität zumuten, die deine Behandlung erfordert. Ihr Ruf wäre damit dahin.«
Sein mitternachtsblauer Blick blieb auf ihr Gesicht gerichtet. »Die Dame hat mich schon bei verschiedenen Gelegenheiten darauf aufmerksam gemacht, dass sie absolut kein Interesse hat an ihrem Ruf.«
Rex stand von seinem Sessel auf. »Aber du kannst doch wohl nicht erwarten -«
»Ich wäre natürlich bereit, sie zu bezahlen. So viel auch immer sie wünscht. Wenn ich wirklich versuchen will, mich vollständig zu erholen, dann glaube ich, dass Miss Winters’ Gegenwart
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