Was die Nacht verheißt
unerlässlich ist.«
Rex schien die wenig diskrete Andeutung nicht zu verstehen, von der sich Brandys Wangen rosa tönten. Er wollte wieder ein Mann sein - ein funktionstüchtiger, geheilter Mann.
Und er wollte sie dafür bestrafen, dass sie ihm Hoffnungen machte, obwohl er tief im Inneren fürchtete zu versagen.
Brandy hob das Kinn. Sie war so weit gekommen, jetzt würde sie nicht zulassen, dass er ihre Ablehnung benutzte, um seine Chance zu versäumen. »Ich brauche kein Geld. Aber es gibt etwas, das ich von Lord Hawksmoor als Gegenleistung für meine Hilfe annehmen würde.«
Seine Brauen hoben sich ein wenig, als wäre er sicher gewesen, dass sie ablehnen würde. »Und zwar ...?«
Brandy sah den Arzt an, der die ganze Sache fasziniert beobachtete. »Ich habe eine solide, aber nur einfache Bildung. Ich kann mich korrekt ausdrücken, lesen, schreiben und rechnen. Aber ich weiß nur wenig von den feineren Dingen. Ich würde gern lernen, wie man sich in der besseren Gesellschaft verhält, wie man sich richtig kleidet, benimmt, vielleicht sogar wie man tanzt. Kurz gesagt, ich möchte gern eine Dame werden. Wenn du mir hilfst, das zu bewerkstelligen, dann werde ich dir helfen.«
Es wurde absolut still im Raum. Rex runzelte die Stirn, aber Marcus’ Augen schienen zu glitzern. »Für solche Dinge gibt es Lehrer. Ich werde in aller Eile einen herkommen lassen. Wenn du nicht mit mir arbeitest, kannst du ja deine Zeit mit ihm verbringen.«
»Euch ist wohl klar, Miss Winters«, warf der Doktor ein, »dass Eure Pflichten einen recht intimen Umgang mit dem Körper seiner Lordschaft bedeuten würden.«
Brandys Wangen wurden noch röter. Rex machte den Mund auf, um etwas zu sagen, aber Brandys Blick stoppte ihn. Sie hob ihr Kinn ein wenig. »Wie die beiden anderen Herren sehr genau wissen, kenne ich den Körper seiner Lordschaft bereits genauer. Was Ihr andeutet, wird kein Problem für mich sein.«
Der Doktor hob die Augenbrauen.
»Und ich bin sicher, dass Ihr, Dr. Merriweather«, fügte Marcus warnend hinzu, »ein äußerst diskreter Mensch seid.«
Der Doktor gab ein leises Geräusch von sich und nickte kurz. »Natürlich, Mylord.«
Brandy musste wirklich ihre ganze Willenkraft aufbringen, um zu lächeln, denn sie war sich absolut nicht sicher, auf was sie sich da eingelassen hatte. »Dann sind wir uns ja handelseinig, Mylord. Die Rückkehr deines alten Lebens gegen meine Chance auf ein neues.«
Marcus sagte nichts. Rex machte eine finstere Miene und schüttelte den Kopf. Der Doktor betrachtete seinen Patienten und lächelte zufrieden.
17
Der Wind heulte in den Bäumen und fegte über die felsige, herbe Landschaft. Ein Fensterladen im oberen Stockwerk, der sich gelöst hatte, krachte ruhelos gegen die Steinwand. Regen fiel in dichten grauen Schleiern, klatschte gegen die Scheiben und prasselte auf das Dach.
Marcus lag in seinem großen Himmelbett und hörte die Wellen tief unten gegen den Fuß der Klippe krachen und dann wieder rauschend ins Meer zurückgleiten. Die wohlbekannten Geräusche quälten ihn, belebten schmerzliche Erinnerungen, drängten ihn zurück in die Vergangenheit zu dem Leben, das er früher gelebt hatte, das Leben, das er viel mehr als alles andere auf der Welt wieder zurückgewinnen wollte.
Wenn er die Augen schloss, war er wieder dort, trotzte auf dem Deck der Seehabicht Wind und Wellen, rief Befehle, sah zu, wie seine Männer die Kräfte des Sturmes umsetzten, atmete tief seinen Duft ein, spürte die Feuchtigkeit des Regens auf dem Gesicht.
Ein rauer Schmerz erfüllte ihn, der Schmerz des Verlustes und der Sehnsucht lag wie ein erdrückendes Gewicht auf seiner Brust. Sorgen wegen der Zukunft, die ihm gestohlen worden war, stiegen ihm bitter in die Kehle. Mein Gott, wie sehr er doch das Meer vermisste, die Gischt im Gesicht und das Schwanken des Decks unter den Füßen. Er brauchte es wie ein Verhungernder die Nahrung, wie ein Ertrinkender die frische Luft.
Und jetzt war ihm wieder einmal die Hoffnung, zu seinem alten Leben zurückkehren zu können, gegeben worden, eine Verlockung, der er nicht widerstehen konnte.
Marcus starrte hinauf zu den schweren samtenen Bettvorhängen, und sein Verstand kehrte noch einmal zu der schmerzlichen Entscheidung zurück, die er getroffen hatte. Merriweather hatte gesagt, er hätte nichts zu verlieren, doch das stimmte nicht. Er riskierte sein innerstes Sein, vielleicht sogar seinen klaren Verstand. Marcus war sich zweifellos darüber im Klaren, dass,
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