Was die Nacht verheißt
meine Mutter, nicht wahr, meine Liebe?«
Ihr hübscher Mund wurde weich. »Nein, bin ich nicht. Ich bin eine Freundin - genau wie Richard Lockhart ein Freund ist.«
Marcus hob eine Augenbraue. »Nicht genau wie Richard. Denn du bist eine Frau. Eine sehr hübsche, sehr anziehende Frau. Wenn ich noch ein Mann wäre, würde ich dir genau zeigen, wie anders du bist als Richard Lockhart.«
Eine warme Röte stieg in ihre Wangen. »Du bist ein Mann, und du bist auch absolut unmöglich.«
»Und du, meine Süße, bist absolut unwiderstehlich. Mein Gott, was würde ich darum geben, wenn ich dir dieses Kleid ausziehen und meine Hände mit deinen schönen Brüsten füllen könnte.«
Ihre Wangen wurden noch ein wenig röter. »Ich bin mir wirklich nicht ganz sicher, ob ich den Menschen mag, der aus dir geworden ist, Marcus Delaine. Du neckst mich mit deinen Worten, verführst mich. Glaubst du denn, ich empfinde nichts, wenn du so mit mir sprichst? Es führt dazu, dass ich dich begehre, Marcus - und wir beide wissen, dass es mir verboten ist, dich zu berühren.«
Zuerst traf ihn die Überraschung: Sie begehrte ihn. An diese Möglichkeit hatte er nicht einmal gedacht. Er war nicht mehr der Mann, der er gewesen war - wie konnte sie da nur immer noch Begehren für ihn empfinden? Sein Blick wanderte über ihren Körper, ihre weiblichen Rundungen, das weiche Heben und Senken ihrer Brüste. Marcus erinnerte sich daran, wie es sich angefühlt hatte, sie zu umfassen, und empfand eine mächtige Lust zusammen mit einem unerwarteten Ziehen in den Lenden. Das war unmöglich. Er wusste es ganz sicher. Er wartete, betete, dass es noch einmal geschehen möge, doch das tat es nicht, und ihm wurde klar, dass er sich getäuscht hatte.
An Stelle der Lust trat Ärger. »Ich weiß nicht, warum du immer wieder herkommst. Das kann keinem von uns beiden irgendwie nutzen. Was immer wir auch einst zusammen gehabt haben mögen, ist vorüber. Ich bin nicht mehr der Mann, der ich war, und du bist nicht mehr dasselbe junge Mädchen.«
»Nein, bin ich nicht. Du hast mich zur Frau gemacht, Marcus, und dafür werde ich dir immer dankbar sein.«
»Du hast gesagt, du wärest jetzt wohlhabend. Wenn das so ist, kannst du doch endlich all die Dinge tun, die du immer tun wolltest. Du kannst reisen, die Welt sehen. Es gibt keinen Grund, warum du hier bleiben solltest.«
»Doch, es gibt jeden Grund. Ich bin deinetwegen hier.«
Er schüttelte nur den Kopf. »Warum kann ich dich nicht überzeugen?«
Brianne bewegte sich auf ihn zu. »Du bist es, der überzeugt werden muss. Du musst lernen, dass das Leben mehr ist, als auf dem Deck eines Schiffes auf und ab zu gehen, dass es immer noch eine Menge andere Dinge gibt, für die sich zu leben lohnt.«
»Die See ist mein Leben - und wird es immer sein. Da ich nie mehr zu ihr zurückkehren kann, habe ich nichts mehr, für das ich lebe.«
Brianne trat zu ihm, so nah, dass ihr Rock seine Beine berührte, aber wie sie versprochen hatte, berührte sie ihn nicht. Einen Moment lang wünschte er, er hätte seine Worte zurücknehmen können.
»Du bist der Graf von Hawksmoor. Es gibt Menschen, die dich brauchen, Menschen, denen du helfen könntest, wenn du wolltest.«
»Ich sagte schon - mein Leben ist die See. Dort gehöre ich hin. Ein Schiff und seine Mannschaft - das sind die Menschen, die mich brauchen.«
»Dein Bruder braucht dich. Wenn du nicht so selbstsüchtig wärest - wenn du nicht jeden Augenblick damit verbringen würdest, dich im Selbstmitleid zu suhlen -, dann würdest du das auch verstehen.«
»Worüber redest du? Mein Bruder ist ein starker, selbstbewusster junger Mann.«
»Ja, das ist er allerdings. Aber sieh ihn dir doch einmal an, Marcus, gründlich. Siehst du nicht die Erschöpfung in seinem Gesicht? Jedes Mal wenn ich herkomme, sitzt dein Bruder an irgendwelchen Arbeiten. Er verlässt kaum das Haus. Du könntest ihm ohne weiteres helfen und einen Teil der Aufgaben erledigen, wenn du nur wolltest.«
Marcus schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht für solche Aufgaben geschaffen. Ich wollte nie ein Graf werden.«
»Wir bekommen nun mal nicht immer das, was wir wollen. Manchmal nimmt uns Gott die Entscheidungen ab.«
Er wandte den Blick ab, konnte jenen bernsteinfarbenen Augen nicht mehr begegnen, die ihn völlig zu durchschauen schienen. War er wirklich selbstsüchtig? Suhlte er sich im Selbstmitleid? Marcus hatte das unbehagliche Gefühl, dass etwas Wahres an ihren Worten sein könnte. »Was willst du
Weitere Kostenlose Bücher