Was die Nacht verheißt
seine schmerzenden Glieder und war müde nach der langen, unbequemen Fahrt von London hierher.
Verdammt, er wurde langsam alt.
Er blieb gerade lange genug im Wirtshaus, um etwas Warmes zu essen und einen Krug Bier zu trinken, dann bezahlte er ein paar Schillinge fürs Mitfahren auf einem Heuwagen. Irgendwann bedankte er sich herzlich, sprang von dem Wagen, schwang sich den Seesack über die Schulter und ging los, die lange Auffahrt hinauf zum Hawksmoor House.
Hamish gefiel es nicht besonders in dem großen, einschüchternden Herrenhaus, und die Aufgabe, die er sich vorgenommen hatte, war ihm auch unheimlich.
»Muss aber sein«, sagte er laut. »Bangemachen gilt nicht. Der Kapitän würde mir das nie verzeihen.«
Entschlossen schritt er die breite Steintreppe hinauf, sein Seemannsgang wirkte etwas schwankend. Er schob den Seesack von einer Schulter zur anderen, hob den Messingklopfer, der wie ein Habicht mit ausgebreiteten Flügeln aussah, und klopfte laut an die schwere Mahagonitür.
Obwohl er erst einmal hier gewesen war, schien der Butler zu wissen, wer er war, und bat ihn sofort herein.
»Ich bin gekommen, um Käpt’n Delaine zu sehen. Es ist wichtig, sonst wäre ich nicht hier.«
»Natürlich, Mr. Bass. Lord Hawksmoor hat schon vor ein paar Jahren angeordnet, dass, wann immer jemand aus seiner Mannschaft hierher kommen sollte, er sofort zu ihm zu bringen wäre. Ich nehme an, das gilt nach wie vor. Bitte kommt herein.«
»Danke sehr.«
»Ich werde seiner Lordschaft sagen, dass Ihr hier seid. Er hat draußen im Garten Besuch.«
Hamish dachte darüber nach. Er hatte Besuch? Als er den Käpt’n zum letzten Mal gesehen hatte, war er kaum mehr als ein Toter gewesen, in seinem Loch versteckt wie ein Maulwurf und nur damit beschäftigt, aufs Meer hinauszustarren.
Der Butler, ein dünner, hoch gewachsener Mann mit kurzem braunem, glatt zurückgekämmtem Haar, war schon wenige Augenblicke später wieder da. »Wenn Ihr mir bitte folgen wollt, ich bringe Euch zu ihm. Ihr könnt Eure Tasche hier lassen, sie wird dann in Euer Zimmer gebracht.«
»Das ist nicht nötig. Ich kann im Wirtshaus im Dorf wohnen.«
»Unsinn. Seine Lordschaft wäre sehr unzufrieden, wenn er feststellen müsste, dass Ihr so weit gereist seid und dann keine anständige Bleibe bekommen habt.«
Hamish sagte nichts, obwohl er sich wirklich wohler gefühlt hätte, wenn er woanders hätte wohnen können. Die edlen Möbel und Marmorböden, das Gold an den Spiegeln, sogar die Wände machten ihn nervös. Was, zum Teufel, würde er tun, wenn er etwas kaputtmachte?
»Mr. Bass?«
»Komme schon.«
Unsicher ließ er seine Tasche zurück und folgte dem Butler durch einen langen, mit goldener Tapete geschmückten Flur und hinaus in einen großen, kunstvollen Garten, der über dem Meer lag.
Kapitän Delaine war dort und saß auf einem Stapel von Kissen, die auf einer gusseisernen Bank lagen. Er lächelte, Gott sei Dank, und neben ihm stand, was wahrscheinlich der Grund dafür war, Brianne Winters.
Zuerst hatte er sie in dem hübschen lavendelfarbenen Kleid kaum erkannt, doch das glänzende kupferfarbene Haar war eindeutig. Hamish lächelte Brandy Winters zu, und das junge Mädchen erwiderte das Lächeln.
»Gut, dich zu sehen, Hamish«, sagte der Kapitän.
»Aye, Käpt’n ... und Euch ebenso, Miss Brandy«
»Danke, Hamish. Ich hoffe, es geht Euch gut.«
»Unbedingt, Miss, das tut es sicher.«
»Brandy ist hier in Cornwall zu Besuch. Sie wohnt in einem kleinen Haus in der Nähe.«
Hamish nickte und freute sich über diese Neuigkeit. »Ihr seht wirklich hübsch aus, Miss Brandy Ich bin sicher, dass sich Kapitän Delaine über Eure Gesellschaft freut.« Aber als er ihn ansah, war er sich nicht mehr ganz sicher. Es lag eine tiefe Dunkelheit in seinem Blick -, Schmerz und Hunger zugleich. Er begehrte das Mädchen, das sah Hamish, und jetzt, genau wie damals, konnte er sie nicht bekommen.
»Ich habe Neuigkeiten von der Seehabicht, Sir. Und ich fürchte, sie sind nicht gut.«
Die breiten Schultern des Kapitäns spannten sich an. »Dann mal los, Hamish, sag mir, was passiert ist.«
»Es ist wegen dem Unfall, Sir. Es war wohl doch keiner. Es war schlicht und ergreifend Sabotage.« Das Gesicht des Kapitäns wurde bleich, und das schien bemerkenswert, denn er war inzwischen wieder so braun wie zur Zeit, als er zur See fuhr. »Wir haben Monate gebraucht, um es herauszufinden. Beinah hätten wir es nicht geschafft - doch dann haben wir Arbeiten unten
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