Was die Tiere im Park erlebten
eine oder zwei davon haben?«
»Wo sind sie?«
»Ach, nicht weit, ein bißchen bachauf.«
»O nein, das darf ich nicht, ich habe Angst«, sagte die Schöne. »Das ist zu weit für mich. Ich soll mich nicht so weit von zu Hause entfernen.«
»Verstehe. Vielleicht kann ich sie dir ein bißchen näher herantragen«, schlug er vor.
»Das wäre sehr nett«, murmelte sie.
Und schon war er verschwunden und kehrte bald mit zwei Ratten zurück. »Du fängst mit diesen schon an, ich hole inzwischen die anderen«, sagte er galant.
Kurz danach genossen sie gemeinsam ihr Mahl. »Merkwürdig, wie ausgehungert ich bin«, sagte Stromer kauend. »Bald werde ich größere Tiere jagen müssen.«
Per Schönen fiel die Gefährtin des Hasen ein, und sie äußerte sich nicht dazu.
»Du hast aber auch einen gesunden Appetit«, meinte Stromer anerkennend, und die Schöne ahnte bereits, worauf er hinauswollte.
»Ich weiß nicht, ob wir zusammen jagen können. Vielleicht treffen wir auf meine Brüder, oder, noch schlimmer, auf meinen Vater.«
»Macht das was?« fragte Stromer. »Wir tun doch nichts Böses.«
»Ich glaube nicht, daß meine Familie das so sehen würde«, erwiderte sie leise.
Kaum hatte sie ausgesprochen, da erstarrte Stromer und richtete die Ohren auf. Ein böses Fauchen war zu hören, und dann kam der Kühne herangesaust, die Nackenhaare gesträubt. Die Schöne hatte nicht mit seiner Abenteuerlust gerechnet. Glücklicherweise blieb sie von einem niedrighängenden Ast verdeckt, und nur Stromer war zu sehen gewesen. Sie beschloß, sich zu verziehen. Stromer stand, wenn auch ängstlich, ganz still.
Der Kühne stand auch stocksteif, mit gefletschten Zähnen und unaufhörlich wedelndem Schwanz, wie eine angriffslustige Katze. Er wollte dem kleineren Fuchs nichts tun, hatte aber gehofft, ihn zu verjagen und so einen moralischen Sieg für sich zu erringen. Aber Stromer blickte ihm fest in die Augen.
»Du bist ganz schön kaltblütig«, meinte der Kühne ganz gegen seinen Willen. »Seit unserem letzten Treffen scheinst du kräftiger geworden zu sein.«
»Ich habe jetzt neues Selbstvertrauen«, sagte Stromer.
Der Kühne wußte nicht, wie er das meinte. »Ich habe keine Lust, mit dir zu kämpfen«, sagte er. »Der Park gehört dir genausogut wie mir.«
»Ich suche auch keinen Streit«, erwiderte Stromer. »Warum auch sollten wir Partei ergreifen?«
Der Kühne lachte auf. »Ich glaube, das erklärt dir lieber dein Vater. Ich bin ganz sicher, eines Tages kriegt er dich schon herum, daß du in den Krieg einsteigst.« Dann ließ er den anderen Fuchs stehen, wo er stand. Von der Schönen hatte er nichts bemerkt.
Auf seinem Weg zum Bau hielt er bei seinem Bruder an. »Hast du unsere Schwester gesehen?« fragte er. »Hier streift ein fremder junger Fuchs herum, sie sollte sich vorsehen.«
»O ja, ich habe sie gesehen«, antwortete der Friedfertige mit dem Hauch eines Lächelns, denn jetzt war ihm alles klar. »Und ich kann dir versichern«, sagte er betont, »daß es ihr nie besser gegangen ist.«
Der Kühne argwöhnte nichts hinter diesen Worten und berichtete seinem Vater von seiner Begegnung mit Stromer.
Was den Friedfertigen betraf — er lebte, wie sein Name besagte, gern mit allen in Frieden — , so wollte dieser die Geheimnisse seiner Schwester nicht verraten. Er war aber fest entschlossen, sich bei Gelegenheit davon zu überzeugen, wie ernst die Sache war.
Seit Tagen lag die Kreuzotter im Versteck und bewegte sich aus einem kleinen Gebiet mit dichtem Bewuchs nahe dem Grenzbach nicht heraus. Sie war dort völlig verborgen, konnte aber jede Bewegung in ihrer Nähe im Auge behalten. Auf diese Weise hoffte sie den Narbigen zu erwischen, sollte er unachtsam werden und wieder umherzustreifen beginnen. Außerdem hungerte sie absichtlich. Sie wollte ihren Giftvorrat sparen — für Jagdbeute hatte sie jetzt kein Gift übrig.
Nichts zu fressen war für die Schlange kein Problem. Sie war ein Reptil, und eine gute Mahlzeit hielt bei ihr viele Tage vor, wenn sie sich nicht zuviel bewegte und damit Energie verbrauchte. In ihrem augenblicklichen, ziemlich trägen Zustand konnte sie es lange aushalten. Nach dem siebten Tag fühlte sie den ersten Hunger, aber das war nicht so schlimm, sie beachtete ihn einfach nicht. Aber da war ein anderes Problem. Sie fror. Gerade in dieser Zeit war es kühl und wolkig, und in ihrem dunklen Versteck erreichte sie kein Sonnenstrahl, der sie gewärmt hätte. Die Schlange konnte ihre
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