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Was die Toten wissen

Was die Toten wissen

Titel: Was die Toten wissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Lippman
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man die Toilette auf der gegenüberliegenden Seite benutzte – wenn man vorgab, dass die andere besetzt oder verdreckt war -, konnte man den Anweiser austricksen und sich hineinschleichen. Wir hatten das schon mal gemacht, um zwei Filme für den Preis von einem zu sehen, aber noch nie wegen eines Films, der frei ab 16 war. Ich wäre nie auf die Idee gekommen, mir solch einen Film anzusehen. Ich war dafür zu brav und artig.«
    Mussten sich die Kids heutzutage immer noch in Filme für Erwachsene schleichen? Und dann ein Film wie Chinatown ! Was für eine Enttäuschung musste das gewesen sein für die, die etwas Obszönes erwartet hatten. Willoughby fragte sich,
ob eine Elfjährige 1975 überhaupt schon in der Lage gewesen wäre, die überraschende Wendung begreifen zu können, das Inzest-Thema, und den verworrenen Handel mit Land, der im Mittelpunkt des Films stand.
    »Ich habe sie also in der letzten Reihe in Chinatown entdeckt, und sie wurde furchtbar sauer und sagte, ich solle verschwinden. Was den Platzanweiser auf uns aufmerksam werden ließ, der uns beide rausschmiss. Sie war stinksauer, so sauer, dass mir angst und bange wurde. Sie sagte, dass sie genug von mir habe und mir auch nicht wie versprochen bei Karmelkorn etwas kaufen werde und dass sie mich nicht noch einmal sehen wolle, bis unser Vater uns um halb sechs abholte.«
    »Was haben Sie dann getan?«
    »Ich bin rumgelaufen.«
    »Haben Sie jemanden getroffen, sich mit jemandem unterhalten?«
    »Nein, ich habe mit niemandem geredet.«
    Willoughby machte sich eine Notiz auf dem Block, den sie für ihn bereitgelegt hatten. Das war ein sehr wichtiger Punkt. Wenn Pincharelli sich an Heather erinnert hatte, sollte sie sich auch an ihn erinnern. Es war eines der Dinge, die der Musiklehrer nach geraumer Zeit offen zugegeben hatte. Er hatte Heather im Publikum entdeckt, wie sie ihm beim Spielen zugesehen hatte.
    Nancy Porter, gesegnet sei sie, war es auch nicht entgangen.
    »Also gut, Sie haben mit niemandem geredet, aber haben Sie vielleicht jemanden gesehen, irgendwen, den Sie kennen?«
    »Ich kann mich nicht daran erinnern.«
    »Haben Sie vielleicht einen Bekannten getroffen? Einen Nachbarn oder Freund Ihrer Eltern?«
    »Nein.«
    »Dann sind Sie also einfach drei Stunden lang durch die Mall geschlendert …«
    »Genau das, was kleine Mädchen in Malls seit Urzeiten machen.
Sie laufen dort herum. Haben Sie das nie gemacht, Detective?«
    Das brachte ihr einen unheilvollen Blick von Gloria ein, die die aggressive Haltung ihrer Mandantin nicht lustig fand. Detective Porter lächelte, ein sonniges, aufrichtiges Lächeln, die Art von Lächeln, die ihr Gegenüber wahrscheinlich ihr gesamtes Leben nicht fertiggebracht hatte, und sagte: »Ja, aber bei mir wäre es die White Marsh Mall gewesen, und ich hing meistens bei Mamma Ilardo’s Pizza herum.«
    »Klingt gut.«
    »Da gab’s richtig gute Pizza.«
    Nancy beugte sich über ihren Notizblock und schrieb wild drauflos. Alles nur zur Schau, wie Willoughby wusste.
     
    18:20 Uhr
    »Erzählen Sie mir noch einmal, was passiert ist, als es Zeit war, sich zu treffen.«
    »Das habe ich Ihnen bereits erzählt.«
    »Erzählen Sie’s mir noch mal.« Nancy nahm einen Schluck aus der Wasserflasche. Sie hatte der Frau mehrfach etwas zu trinken angeboten, eine Pinkelpause, aber sie hatte immer abgelehnt. Schade, denn wenn sie sie dazu gebracht hätten, ihre Fingerabdrücke auf einem Glas zu hinterlassen, hätten sie sie innerhalb von Minuten überprüfen können, um zu sehen, ob sie einen Treffer landeten. Wusste sie das etwa?
    »Es war fast fünf Uhr, und ich ging langsam zurück zur Mitte, unter dem großen grünen Kuppeldach, wo es auch das Essen gab. Karmelkorn, Baskin-Robbins. Ich dachte, Sunny würde vielleicht ihre Meinung ändern und mir doch noch was spendieren. Wenn nicht, würde ich unseren Eltern von dem Film erzählen. So oder so würde ich schon kriegen, was ich wollte. Damals … damals fiel es mir nicht schwer zu bekommen, was ich wollte.«

    »Damals?«
    »Es würde Sie verblüffen, wie jahrelange sexuelle Ausbeutung einem den Willen brechen kann.«
    Willoughby gefiel, wie die Beamtin nickte, mitfühlend, aber nicht allzu sehr beeindruckt. Ja, ja, jahrelange sexuelle Ausbeutung, diese alte Geschichte .
    »Es war … wann sind Sie zu Karmelkorn gegangen?«
    »Ich habe Ihnen doch gesagt, dass es fast fünf war.«
    »Woher wussten Sie denn, wie spät es war?«
    »Ich hatte eine Snoopy-Armbanduhr.« Dies mit extrem

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