Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love
und lassen den Aktenordner auf dem Tisch liegen. Ich bleibe sitzen. Toni hebt die Hand, genau wie an jenem Abend, eine Geste, um mir zu bedeuten, dass sie gern meine Schulter berühren würde, sich aber nicht aufdrängen will. Ich glaube, sie hatte Tränen, Wut, vielleicht sogar Hysterie erwartet – all das hätte sie wahrscheinlich meiner unnatürlichen Ruhe vorgezogen. Ich spüre die Anspannung in ihren stummen Gesten, ihre Entschlossenheit, sich der Situation angemessen zu verhalten. An der Küchentür angelangt, dreht sie sich um und sagt sanft: »Ich melde mich später, wenn Sie dazu gekommen sind, die Zeugenaussagen durchzugehen.«
Ich sehe sie zwar immer noch nicht an, nicke aber kaum merklich. Sie lassen mich dort sitzen und finden alleine raus, um schweigend zu ihrem Auto zu gehen, seufzend einzusteigen und über mich zu reden, während sie aufs Revier zurückfahren, um mit dem Rest ihrer Arbeit, ihres Lebens fortzufahren.
Mr. A.s Aussage ist in leserlicher, wenn auch krakeliger Handschrift des Polizisten, der sie aufgenommen hat, verfasst, aber in der ersten Person, aus Mr. A.s Perspektive. Er ist die Fulton Road entlanggefahren, weil er in der Schule war, Bettys Schule, die Schule meiner Tochter. Er hatte einen Termin bei dem Direktor.
Die Schule, auf die mein Neffe geht, ist sehr schlecht. Wir haben gehört, dass die andere Schule eine gute Schule ist, aber sie wollten meinen Neffen nicht nehmen. Sie sagen, er muss warten. Ich weiß, welche Schule er meint, St. Michael’s, eine kleine Grundschule mit freizügigem Aufnahmesystem an der Seite der Stadt, die der Steilküste am nächsten liegt. Ich hatte dort manchmal beruflich zu tun, war in Kontakt mit der Integrationskoordinatorin. Sie oder auch praktische Ärzte mussten öfter Kinder an uns überweisen. Diese Gegend ist ökonomisch stark unterprivilegiert, und über ein Drittel der Kinder, die die Schule besuchen, sind als Förderkinder registriert, obwohl es eigentlich keine Sonderschule ist. Sie müssen Schüler der sechsten Klasse, Elfjährige, wegen Rauchens auf dem Pausenhof vom Unterricht suspendieren. Zwischen den Kindern mit Migrationshintergrund und den Kindern aus den alteingesessenen Wohnsiedlungen hat es viele Reibereien gegeben. Mein Neffe hatte dort Probleme, fährt die Aussage fort, ein paar sehr schlimme Jungen. Wir sind zu der anderen Schule gefahren, um zu sehen. Weiter geht es darum, wie schlimm St. Michael’s ist. Dieses Thema scheint Mr. A. sehr beschäftigt zu haben. Die Stadt, in der wir wohnen, ist sehr gut, aber die Schule für meinen Neffen ist unser großes Problem. Wir gehen oft zu den Lehrern, um mit ihnen zu reden, meine Kusine geht und erzählt der Frau Direktor, wie unglücklich mein Neffe in der schlechten Schule ist. Die Frau Direktor dort hört nicht, was wir sagen. Wir wollen die Stadt nicht verlassen. Wir sind jetzt hier im Geschäft, und bis auf die Schule läuft bis jetzt alles sehr gut. Wir verstehen nicht, warum mein Neffe nicht auf eine andere Schule gehen kann, wo es doch unser einziges Problem ist, unser Kummer. Deshalb haben wir einen Termin mit dem Direktor der anderen Schule gemacht, um zu sehen. Mr. A. ist nicht der Einzige, den die Willkür des schulischen Aufnahmesystems verwirrt. Bettys Schule liegt in einer Wohngegend mit herrschaftlichen Altbau-Zweifamilienhäusern. Obwohl die Kapazität verdoppelt wurde, ist die Warteliste lang. Wir wohnen zwanzig Minuten Fußweg entfernt und konnten Betty nur deshalb dort unterbringen, weil ihr Jahrgang unverhältnismäßig wenige Geschwisterkinder aufzuweisen hatte. Wir haben mit dem Direktor dort geredet. Wir mussten im Büro warten. Der Direktor von Bettys Schule, Mr. Coe, ist ein kleiner schroffer Mann, den die Kinder sehr lieben, die meisten Eltern, mich eingeschlossen, jedoch nicht. Er ist rotgesichtig und jähzornig, und mir ist schleierhaft, warum er bei den Kindern so gut ankommt – Betty hat ihn regelrecht vergöttert. Normal wäre meine Kusine hingegangen, aber an dem Tag hat sie sich verspätet, deshalb bin ich mit meinem Neffen im Auto gefahren. Ich will ihm zeigen, dass mein Neffe ein guter Junge ist, fleißig, immer höflich. Wir reden mit dem Mann. Er ist ein netter Mann, vernünftig, aber er sagt, er kann nicht helfen. Als wir aus der Schule kommen, rennt mein Neffe. Er tritt gegen so ein Ding, wissen Sie, ein Dreieck. Er ist hingefallen.
Als sie die Schule verließen, spielte der Neffe mit einem Plastik- Verkehrsleitkegel, den jemand mitten
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