Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Titel: Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Doughty
Vom Netzwerk:
genoppten Griffen, in einen Hochschrank. Auch wenn mein Embryo schlecht aus dem Schoß krabbeln konnte, um mit den Messern zu spielen, verschaffte mir mein hormonell gepushter Beschützerinstinkt bei deren Anblick schon ein mulmiges Gefühl. Ich weiß nicht mehr, wann der Messerblock samt Inhalt an seinen alten Platz auf der Arbeitsfläche zurückfand, aber es muss einen Zeitpunkt gegeben haben, an dem ich überheblich wurde und nicht mehr an Gefahren glaubte – an dem ich mir einbildete, meiner Aufgabe ziemlich gut gerecht zu werden.
    Überheblich, denke ich, während ich langsam zur Spüle gehe. Das ist passiert. Du bist überheblich geworden.
    Es gibt ein sehr langes, sehr scharfes Messer, wohl zum Schneiden von Fleisch gedacht, doch es ist zu lang, um in meine Handtasche zu passen, und wäre ohnehin unhandlich. Das kleinste, mit dem man Gemüse schneidet, lässt sich am besten halten, aber die Klinge misst nur zehn oder zwölf Zentimeter in der Länge. Das dürfte kaum ausreichen. Es gibt eins mit Wellenschliff, das, wie David mir einmal sehr bestimmt erklärt hat, ein Tomatenmesser ist. Ich nehme das nächstgrößere, mit glatter Klinge, das noch gut in der Hand liegt, und es passt in meine Handtasche, wenn ich es schräg hineinstecke. Früher, als ich noch kochte, habe ich damit gefrorene Hähnchenfilets zerschnitten, damit sie schneller auftauten.
    Daran dachte ich, als ich es in ein Geschirrtuch einschlug: gefrorene Hähnchenfilets. Vielleicht weigerte sich ein Teil meines Hirns immer noch zu glauben, dass Betty endgültig fort war. Vielleicht sollte das Messer sie retten. Vielleicht war es dazu gedacht, mich zu beschützen, das, was von mir übrig war, weil ich mich ihm nähern würde, Mr. A., seinen Dunstkreis betreten würde. Mir will nicht in den Kopf, dass ich mich bewusst dazu imstande fühlte, jemanden umzubringen.

16
    Mein erster Besuch im Lager verläuft ergebnislos. Als ich auf der Anhöhe stehe, bietet sich mir ein Blick auf die Rückseite – die meisten Wohnwagen sind zur anderen Seite hin ausgerichtet, zu dem befahrbaren, unbefestigten Feldweg. Ich frage mich, was wohl passiert ist, als die einheimischen Jugendlichen mit Pflaster- und Kieselsteinen anrückten. Bestimmt sind sie im Schutze der Dunkelheit losgezogen; sonst wären sie nicht nahe genug herangekommen.
    Unbeobachtet konnte man sich dem Wagenplatz sonst nur zu Fuß nähern. Wenn man mit dem Auto kam, musste man von der asphaltierten Straße abbiegen und in voller Sicht der gut ein Dutzend kreuz und quer auf dem sumpfigen Flachland an der Flussmündung abgestellten Wohnwagen den holprigen Feldweg nehmen. Bog man allerdings vorher ab und stellte sein Auto auf den Parkplatz vor dem Steilküstenweg, konnte man sich dem Lager aus einer anderen Richtung nähern. Zunächst ließ man es so aussehen, als ginge man davon weg, wie zu den Klippen. Durch eine kleine Erhebung blieb man die meiste Zeit vor Blicken aus dem Lager verborgen, bis man zur höchsten Stelle gelangte, wo der Boden ansteigt, zu der Stelle, an der David so getan hatte, als wollte er mich in den Abgrund stürzen. Bis zu dieser Stelle war man vom Lager aus nicht zu sehen, und man sah das Lager auch nicht. Selbst wenn es an der höchsten Stelle der Steigung in Sichtweite kam, wollten die meisten, die dort spazieren gingen, es vermutlich übersehen. Schließlich sehen die Leute in der Regel lieber weg von einem Lager – wenn sie auf einer Autobahn daran vorbeifahren oder darüber hinwegfliegen, erkennen sie die Wohnwagen lediglich als Fahrzeuge. Im Allgemeinen haben wir feste Vorstellungen davon, wie Behausungen auszusehen haben. Der nagelneue Bungalow von Chloe und David war in seinen Umrissen nicht viel anders als ein Wohnwagen, wenn auch natürlich deutlich größer, aber bestimmt würden sie die Wohnwagen kaum bemerken. Wenn Chloe auf diesen Felsen spazieren ging, wird ihr nicht einmal bewusst gewesen sein, dass dort unten im Flachland an der Flussmündung Menschen wohnten, auch dann nicht, wenn sie die Anhöhe erreichte und nach rechts auf den Pfad zu den Klippen einbog.
    Das Land im Mündungsgebiet war in Privatbesitz, und es gab ständig Streit mit dem Stadtrat, weil der Eigentümer keine Baugenehmigung zur Errichtung fester Unterkünfte hatte. Meines Wissens ging es bei dem Streit darum, wie permanent die Unterkünfte und ihre Bewohner waren. Das Upton Centre unterstützte deren Protest dagegen, sich umsiedeln zu lassen, aus Gründen ihrer medizinischen Versorgung und

Weitere Kostenlose Bücher