Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Titel: Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Doughty
Vom Netzwerk:
man auf an die zweihundert Lügen, jede davon ein Tropfen: tropf, tropf, tropf.
    Ich rief die Nummer an, die verdächtig häufig in den Rechnungen auftauchte, so bebend vor Wut, dass ich die Vorsichtsmaßnahme vergaß, vor dem Wählen meine eigene Handynummer zu unterdrücken. Warum auch? Ich hatte nichts zu verbergen. Am anderen Ende sprang direkt die Mailbox an. Sie sind mit der Mailbox von Chloe Carter verbunden. Bitte hinterlassen Sie eine Nachricht nach dem Signalton. Irgendwie tat es sogar weh, ihren vollen Namen zu erfahren. Sie war keine Phantom-Chloe. Sondern Chloe Carter. Als ich die Rechnungen nacheinander durchsah, wusste ich, dass mein Verdacht stimmte – Davids Affäre mit Chloe hatte sehr bald nach ihrem ersten gemeinsamen Mittagessen begonnen. Es hatte keine ausgedehnte Flirtperiode, kein behutsames gegenseitiges Herantasten gegeben, da war ich mir sicher. Das war nicht Davids Stil. Ich erkannte das Muster seiner Anrufe wieder; die kurzen, wenn er aus irgendeinem Grund abrupt abbrach – andauernd rief er unterwegs zwischen zwei Meetings an –, ich wusste noch, wie frustrierend ich das in den Anfängen unserer Beziehung gefunden hatte. Dann die langen: Sechsundfünfzig Minuten war der längste. Wie leicht man in den Anfangstagen einer Beziehung sechsundfünfzig Minuten verplaudert. Sie sind im Nu um. Und man hat über nichts geredet.
    Und dann, spät am selben Abend: die Konfrontation. Die Kulisse war unser Schlafzimmer mit seinen champignonfarbenen Wänden und den Satinkissen, auf denen ich bestanden hatte und die David noch nie leiden konnte. (Als Rache hängte er ein geschmackloses Aquarell über unserem Bett auf.) Die Hauptdarsteller: David und ich, in einer winzigen Nebenrolle unsere Tochter. Die Szene wird damit eröffnet, dass die Heldin, also ich, ihrem Mann mit einer Handyrechnung unter der Nase herumwedelt. Einsatz der Leugnungsarie.
    Erschöpfung verleiht der gemeinsamen Hysterie eines Paares besondere Schärfe. Als er endlich sein Geständnis ablegte, war es trotzig, doch nach einer weiteren Stunde Geheul und Gebrüll stolperte Betty in ihrem blau getupften Schlafanzug aus ihrem Zimmer herein, mit abstehenden, vom Kissen elektrisch geladenen Haaren, und verlangte unter Tränen eine Erklärung, warum wir »so laut schreien«. Sie wollte zu mir. Ich war ein schlaffer, nasser Sack. David trug sie in ihr Bett zurück, und ich kann nur mutmaßen, dass ihr weicher kleiner Körper, als er sie hinlegte und zudeckte, ihm den Rest gab. Ungewollt hatten sie und ich bei Davids Verhör den guten und den bösen Cop gespielt. Als er in unser Schlafzimmer zurückkam, sah ich zu ihm hoch. Ich wusste, dass mein Gesicht in Elend zerfloss, was nie ein schöner Anblick ist. Es war mir egal. Mich hatte jeder Stolz verlassen. »Ist es aus?«, fragte ich verzweifelt, kurz davor, an der in meinen Worten mitschwingenden Drohung zu ersticken. »Wirst du jetzt aufhören, dich mit ihr zu treffen? Ist es aus?«
    Es war halb vier Uhr morgens. Wir stritten seit fast vier Stunden. Er ließ die Schultern hängen. »Ja«, sagte er und schlug sich beide Hände vor das Gesicht. »Ja, ja. Es ist aus, okay, ich sag’s ihr, es ist aus.«
    Hätte ich ihn in dem Augenblick gefragt, ob der Mond aus blauem Käse sei, er hätte auf Knien geschworen, dass dem so wäre, und zwar schon immer, ewig und bis ans Ende aller Tage.
    David war immer aufrichtig; deshalb konnte man ihm so schwer etwas übel nehmen. Kaum dachte er einen Gedanken oder verspürte ein Gefühl, schon kam es aus seinem Mund geschossen, wie Kaugummis aus so einem Kaugummiautomaten, wenn sie in buntem Bogen hervorpurzeln, unabgepackt, unmittelbar. »Sie wirkt halt irgendwie so verletzlich«, sagte er einmal zu mir, als ich aus reinem Masochismus eine Erklärung von ihm verlangte, was an Chloe ihn angezogen hatte. »Irgendwie verletzlich, aber tapfer, wahrscheinlich ein bisschen so wie du damals, als du dich um deine Mutter kümmern musstest und nie einen Vater hattest, so ähnlich, nur dass sie in einer ganz anderen Situation ist, irgendwie verletzlich, aber gleichzeitig einfach unglaublich klug.« Das war, wie mit einem abgebrochenen Flaschenhals aufgeschlitzt zu werden. »Sie ist eine wahnsinnig gute Zeichnerin, viel intuitiver, als ich war. Sie müsste das Doppelte von dem verdienen, was sie kriegt.« Ich sah, dass er vollkommen vergessen hatte, mit wem er redete, sich mir anvertraute, als wäre ich ein guter Kumpel, als erwartete ich – von »wollte« ganz zu

Weitere Kostenlose Bücher