Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love
einschneidet und dann auseinanderzieht.
Diese Familientreffen fanden üblicherweise in Lorraines Haus statt, einer großen roten, edwardianisch angehauchten Backstein-Doppelhaushälfte am äußersten Rand von Eastley, der uns nächstgelegenen Stadt an der Küste. Eingedenk dessen, welch durchschlagender Erfolg ich bei meinem ersten Besuch gewesen war, fühlte ich mich dem Haus verbunden und stand Lorraine daher viel näher, als mir das bei Davids reservierter Mutter je gelang. Davids Eltern waren stille, freundliche Leute, die mir entschieden den Eindruck vermittelten, dass ich für ihren geliebten einzigen Sohn nicht gut genug war – fast, aber nicht ganz. Dagegen war Lorraine leichter zufriedenzustellen. Sie mochte Leute, die über ihre Witze lachten und ihr halfen, Geschirr von einem Zimmer ins andere zu tragen. Das war nicht zu viel verlangt, und ich schmiss mich ins Zeug. Ich betrachtete sie als meine Verbündete.
Falls irgendwer vorausgeahnt hatte, in welche Richtung meine Ehe steuerte, dann Lorraine. Eines Sonntagnachmittags erledigten wir in ihrer Küche den Abwasch – soll heißen, ich spülte vor, während sie den Geschirrspüler belud. Davids Schwester Ceri ging rein und raus, um dem halben Dutzend Verwandten im Wohnzimmer Tee oder Kaffee zu bringen. »Wie stehen die Chancen, dass dein nichtsnutziger Bruder meinen Rasen mäht, wenn er schon mal da ist?«, fragte Lorraine sie. »Oder kleben die Jungs jetzt den Rest des Tages auf ihren Sesseln fest?«
»Nicht besonders«, antwortete Ceri kühl. »Onkel Richard führt ihm gerade den Abbeizer vor.«
»Mist …«, murmelte Lorraine. Onkel Richard, ihr Mann, hatte ein fröhliches Lachen und Angina Pectoris. Rasenmähen und Heimwerken waren für ihn tabu, was ihn aber nicht davon abhielt, Heimwerkergeräte zu kaufen, als wollte er damit ein Museum eröffnen. Von David wurde immer verlangt, das neueste arbeitssparende Gerät zu bewundern, wenn wir zu Besuch kamen, weil er ja schließlich selbst so ähnliche Dinger entwarf. Wahrscheinlich hätte er lieber den Rasen gemäht.
Hier war ein wenig weibliche Solidarität gefragt. »Ich kann ihn nicht mal dazu bringen, unseren zu mähen«, sagte ich zu Lorraine, als Ceri wieder zur Tür hinaus war. »An den Wochenenden ist immer so viel los, und in letzter Zeit kommt er nie vor halb neun aus der Arbeit.« Eigentlich machte es mir gar nichts aus, dass er oft bis spät arbeitete und Bettys Schlafenszeit verpasste. Sie allein ins Bett zu bringen, war einfacher, als damit fertig zu werden, dass sie über Davids Rückkehr ganz aus dem Häuschen geriet, während wir gerade auf der letzten Seite von Keine Rosen für Harry waren.
Lorraine antwortete nicht gleich, sondern belud weiter die Spülmaschine. »Geht mit den Jungs einen zischen, was?«
Etwas an ihrem Tonfall, etwas Trockenes, das mir neu war, ließ mich stocken, die Hände noch in den Schaumbergen – sie benutzte ein anderes Spülmittel als ich, und ich hatte zu viel hineingegeben. Es schäumte über und auf die Arbeitsplatte.
»Nein, nein … na ja, wenigstens nicht so oft, glaub ich …« David ging manchmal nach der Arbeit in den Pub, aber in letzter Zeit hatte er zu viel zu tun gehabt, dachte ich. Mir ging auf, dass ich nicht wusste, was es war: das Büro oder der Pub. Er sagte es mir nicht von sich aus, und ich fragte nicht danach. Schließlich stellte ich David nie Fragen; bei uns lief das nur andersrum. Das war vor Chloe, als David und ich in meinen Augen glücklich miteinander waren und mein Leben mit Betty mich so ausfüllte, dass ich das nicht in Frage stellte.
Dort, in Lorraines Küche, kam mir keine andere, neue Erkenntnis, doch in jenem Moment wurde ich von der Einsicht ereilt, dass ich keinerlei Kenntnis besaß – da erst wusste ich um meine Unwissenheit.
Tante Lorraine hob die Tür der Spülmaschine ungelenk an – ihre Leibesfülle machte sie beim Bücken steif. Sie fummelte am Schalter herum, stieß mit ihrem drallen Zeigefinger auf zwei Knöpfe, und die Spülmaschine sprang mit einem Piung -Geräusch ratternd an. Lorraine nahm ein Geschirrtuch von der Arbeitsplatte und wischte sich die Hände ab. Immer noch ohne mich anzusehen, sagte sie nachdenklich: »Tja, bei so einem Kerl wie unserem David wird man wohl seinen Preis zu zahlen haben.« Sie schaute zum Wohnzimmer, wo ihr Mann mit der Verwandtschaft saß. Ihr Gesicht verfinsterte sich. »Wenn jemand das wissen müsste, dann ich …«, murmelte sie.
Ich wusste nicht, wovon sie redete. Ein
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