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Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Titel: Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Doughty
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wieder darauf.
    Nachdem ich die Kinder ins Bett gebracht hatte, ging ich nach unten, setzte mich an den Küchentisch, zog den Brief hervor und sah ihn mir an. GRATULIERE wozu? Weil ich die Hysterikerin, für die sie mich gehalten hatte, sichtlich überwunden hatte? Weil ich ihr und David mein Einverständnis erteilt hatte, die Kinder in ihren Bungalow zu holen? Hatte ich um Glückwünsche zu einer dieser Entwicklungen gebeten? Hatte ich sie überhaupt nach ihrer Meinung gefragt?
    Dieser Brief machte mir ein wenig Angst. Er war hastig hingeschrieben und zu einer Zeit eingeworfen worden, zu der die Kinder, wie sie wusste, aus Schule und Kindergarten zu Hause sein mussten. Das kam mir wie eine Entgleisung, eine Eskalation vor. Es war nur eine Frage der Zeit, bis David mich bitten würde, die Kinder bei ihm und Chloe übernachten zu lassen. Ich musste diese Sache klären.
    An dem Abend dachte ich lange und angestrengt darüber nach, während ich den bekleckerten Abendbrottisch abwischte, das Spielzeug der Kinder wegräumte und es mir mit einem Becher Tee vor dem Fernseher gemütlich machte, wie fast jeden Abend. Ich dachte in dieser Nacht darüber nach, als ich in den frühen Morgenstunden wach lag. Weil es eine kalte Nacht war, hatte ich noch eine Decke auf mein Federbett gelegt. Nachdem ich etwa eine halbe Stunde lang wach gelegen hatte, beschloss ich aufzustehen, aufs Klo zu gehen, nach den Kindern zu sehen.
    Bettys Atmung war wie üblich tief und anrührend. Beim Schlafen streckte sie ihre langen Arme und Beine immer weit von sich, in den unwahrscheinlichsten Verrenkungen abgespreizt. Ihre Freundinnen erzählten mir, dass sie sich auch viel hin- und herwälzte. Bei Übernachtungen wollte niemand mit ihr in einem Bett schlafen. Menschliches Origami nannte ich sie. Ich lächelte auf sie hinab, wie sie da in einem Gewirr von Haaren, Armen und Beinen über das ganze Bett verteilt lag, zupfte ihre Decke unter ihren Beinen hervor und zog sie ihr sanft über die Schultern hoch. Murmelnd drehte sie sich um. Ich konnte mir vorstellen, was für eine große Show Chloe abzog, wie gern sie Rees mochte – der unkomplizierte, offene Rees, kleiner und ein Junge; aber was war mit meinem Mädchen? Wie würde Chloe sie aufnehmen? Alle sagten, Betty sähe mir ähnlich, aber das sagen alle Leute über Mütter und Töchter. Chloe würde sich zumindest Mühe geben, auf sie zuzugehen. David verhielt sich ihr gegenüber genauso beschützerisch wie jeder Vater. Chloe musste klar sein, dass David sich im Zweifelsfalle, definitiv vor die Wahl gestellt, jederzeit für Betty und gegen sie entscheiden würde. Das allein schon machte meine Tochter zu einer Bedrohung.
    Mir war unbehaglich, wie ich so auf sie hinabsah – auch wenn mir Chloe nicht imstande schien, ihr etwas anzutun, hatte ich doch die Befürchtung, dass etwas von ihrer Feindseligkeit mir gegenüber auf meine Tochter überschwappen konnte, so als würde gelber Schleim unter Bettys Zimmertür durchsickern. Was tun? Wenn ich es David gegenüber ansprach, würde er mir überhaupt glauben? Was die anonymen Anrufe anging, hatte er mir nicht geglaubt. Die Briefe hatte ich ihm nicht gezeigt. Wenn er mich beschuldigte, mir selber Drohbriefe zu schreiben, könnte ich ihm das nie verzeihen, und was auch immer wir an vorsichtigen Anstrengungen in Richtung einer funktionierenden Wiederannäherung im Interesse der Kinder unternommen hatten, würde ins brutale Gegenteil umschlagen. Wie konnte ich ihm vertrauen oder höflich zu Chloe sein, solange es damit so weiterging? Wie konnte ich ihm nicht vertrauen oder nicht höflich zu Chloe sein, wo doch das langfristige Wohl meiner Kinder auf dem Spiel stand?
    Ich bückte mich und gab Betty einen Kuss auf ihren zarten Kopf. Dann ging ich ins Bad. Beim Händewaschen sah ich in die Spiegeltür meines Badezimmerschränkchens. Das Badezimmerlicht wirkte sich nicht eben vorteilhaft auf meinen Teint aus. Auf David als Vermittler konnte ich mich nicht verlassen, beschloss ich. Er war weder tauglich noch vertrauenswürdig, wenn es darum ging, Chloe in Schach zu halten.

    Zwei Wochen darauf ergab sich die Gelegenheit. Ich hatte zugestimmt, dass David die Kinder abholte und in den Bungalow mitnahm. »Wir wollen zusammen basteln«, sagte er stolz, während er sie ins Auto packte. Ich hörte eine neue Entschiedenheit in seiner Stimme; er wirkte fest entschlossen, mir zu beweisen, dass seine Bemühungen um die Kinder ihnen ebenso guttun würden wie ihm. Ich selbst

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