Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love
gegeben haben, dachte ich. Chloe hatte bestimmt keine Angst davor, dass ich die Drohbriefe David zeigte – sonst wäre sie bei anonymen Anrufen geblieben, etwas, das ich nicht beweisen konnte. Sie musste sich sicher gewesen sein, ihn davon überzeugen zu können, dass sie nichts damit zu tun habe, wenn ich ihm die Briefe unter die Nase hielt. Schließlich hielt er mich für paranoid, zweifellos eine Einschätzung, die er seiner neuen Herzensdame anvertraut hatte. Die Polizei wäre allerdings zu einem unvoreingenommeren Standpunkt verpflichtet gewesen. Nachstellen. Ich habe es nachgeschlagen. Es ist ein Straftatbestand. Sie hätten zumindest Nachforschungen anstellen müssen.
Die Polizei stellte am Ende nicht nur über Chloe, sondern auch über mich Nachforschungen an, aber so, wie weder sie noch ich es je vorausgeahnt hätten. Jeder von uns führt sein normales Leben, vollgepackt mit lauter normalen Dingen wie Einkaufen, Essen, Streitereien, welchen Film wir sehen wollen. Wir fragen uns, wann wir dazu kommen werden, einen hängenden Saum an unserem Lieblingsrock zu richten, oder ob wir den Kühlschrank sauber machen sollten. Eine Zeit lang probieren wir es mit Olivenaufstrich statt Butter. Wir schlafen. Wir vögeln miteinander. Wir füllen unser Leben bis an den Rand, packen es so voll mit Nebensächlichkeiten, dass der Alltagstrott zum eigentlichen Lebensinhalt wird, seine gesamte Substanz ausmacht. Ohne zu ahnen, dass uns hinten am Horizont etwas Großes erwartet, das unser Alltag verdeckt hatte – bis es auf uns zukommt, wie ein Ozeandampfer, der urplötzlich hoch aufragend eine Nebelwand durchbricht: das Ding, das uns definieren wird. Erst wenn es passiert, erkennen wir, dass es immer schon da war, dass all unsere Entscheidungen – genau darauf hinausliefen.
13
Mit Sally hatte ich ein Problem: Ich mochte sie nicht und wusste, dass sich das nie ändern würde, konnte sie jedoch aus einer Vielzahl von Gründen unmöglich aktiv meiden, was dazu führte, dass ich mich auf eine seltsame, unaufrichtige Weise ambivalent verhielt. Dass sie die Mutter der besten Freundin meiner Tochter war, brachte uns einander näher, als uns beiden lieb war – ihre Freundschaftsbekundungen mir gegenüber kamen mir oft ebenso bemüht vor wie meine ihr gegenüber. Das allein reichte aber nicht, meine Abneigung in Schach zu halten, da ich wie die meisten Eltern Expertin im Heucheln war. Mein eigentliches Problem war nämlich: Obwohl sie eine unsäglich lästige Person war, die allen Ernstes glaubte, jederzeit zu wissen, was für alle das Beste war, besaß sie doch auch einen beträchtlichen Zug von Gutherzigkeit, der sich schwer übersehen ließ. Drei Monate nachdem David mich verlassen hatte, als ich auf meinem absoluten Tiefpunkt angelangt war, kam sie eines Tages nach der Schule vorbei, um Willow abzuholen, und als ich die Haustür aufmachte, sah ich, dass sie vier Plastiktüten mit Einkäufen dabeihatte. Als sie meinen Blick darauf registrierte, marschierte sie mit den Worten »Hab dir nur ein paar Sachen besorgt« an mir vorbei, geradewegs in die Küche.
»Die Mädchen sind oben«, sagte ich, während ich mich ihr anschloss. »Soll ich uns Tee machen?«
»Hast du welchen mit Zitronen-Ingwer-Aroma?«, fragte sie, ließ die Tüten auf den Küchentisch plumpsen und zog meine Kühlschranktür auf.
»Da bin ich mir nicht so sicher«, sagte ich und öffnete eine Schranktür, obwohl ich nur zu gut wusste, dass dem nicht so war. Ich drehte mich zu ihr um. Sie verstaute die Einkäufe im Kühlschrank.
»Die Wachteleier waren im Angebot«, sagte sie, ohne mich anzusehen, »die musst du also in den nächsten paar Tagen aufessen. Ich hab auch nach diesem speziellen Salz gesucht, aber ich weiß nicht, wie es heißt. So eine Art braunes Salz. Weißt du, wie es heißt?«
Ich fragte mich, ob sie vielleicht ein ganz kleines bisschen übergeschnappt war, aber bei Sally konnte man das nie so genau sagen. »Nein, ist es was Besonderes?«
»Glaub schon.«
Sie hatte Bio-Schokolade gekauft, eine vegetarische Moussaka, ein einzelnes Steak in einer Plastikschale, eine Packung Joghurts griechischer Art in verschiedenen Geschmacksrichtungen, ein paar gemischte Oliven, etwas Salami … Als sie fertig war, drehte sie sich mit schiefem Lächeln um und sagte: »Ich hab eine Flasche Baileys gesehen, aber dann hab ich mir gedacht, keinen Alkohol. Ich weiß, dass du dem einen oder anderen Gläschen nicht abgeneigt bist, meine Liebe, aber gerade jetzt
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