Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love
nicht stand. »Was …?«, sagte sie und schaute ängstlich ins Haus zurück, offensichtlich in der Hoffnung, von David oder einem der Kinder erlöst zu werden. Sie trug eine Hose und einen engen Pulli mit Polokragen, unter dem sich ihr schwangeres kleines Bäuchlein abzeichnete. Ihre dichten Locken wippten, als sie den Kopf bewegte. In meinem Aufzug, mit Mantel, Mütze und Schal, kam mir der Flur überheizt vor.
Ich wusste, dass ich verlieren würde, wenn ich zu schroff oder ungehalten war. Meine Stärke lag in meiner Vernunft angesichts ihres Betragens. »Die Anrufe kann ich verstehen«, sagte ich ruhig, mit leiser Stimme. »David wahrscheinlich auch. Von den Drohbriefen habe ich ihm noch nichts gesagt, aber wenn ich noch einen bekomme, werde ich sie ihm zeigen müssen.« Ich legte eine Kunstpause ein. »Die einzige Alternative, die ich habe, ist, zur Polizei zu gehen.« Sie sah mich aus weit aufgerissenen Augen an, bemüht, ihr Gesicht unter Kontrolle zu halten. »Weißt du, ich sag das nur ungern, aber du hast Glück, dass ich noch nicht bei der Polizei war. Es ist eine Straftat. Ich mach kein Drama draus, aber ich will, dass es aufhört, ganz gleich, was du von mir hältst. Ich bin die Mutter von Davids Kindern, und nichts wird sich daran je ändern.«
Mit geschlossenen Augen atmete sie langsam aus. »Mein Gott …«, murmelte sie.
Als sie die Augen wieder aufmachte, wich sie meinem Blick aus. Aus der Küche hinter ihr war immer noch Stimmengewirr zu hören, aber viel Zeit hatten wir nicht mehr.
Unwillkürlich erfasste mich Mitleid mit ihr. Mir fiel wieder ein, wie schwierig meine Schwangerschaften gewesen waren, jedenfalls gefühlsmäßig, wie verquer mir das Leben damals vorkam. Sie war genauso von mir besessen gewesen wie ich von ihr, und die Wahrheit war schlicht die: Ich würde eines Tages ein neues Leben anfangen, wenn schon nicht eine Beziehung mit dem passenden geschiedenen Mann, für den ich bestimmt war, dann vielleicht irgendeine andere Liebe – was auch immer, es wäre eine Liebe und ein Leben, an dem sie und David keinen Anteil hätten. Ich hingegen würde immer ein Teil ihres Lebens sein. Sie und David würden mir nie entkommen. Ob sie sich das schon selbst überlegt hatte? Erklärte das die Briefe?
»Chloe, das kann so nicht weitergehen«, sagte ich, immer noch freundlich, aber in etwas energischerem Tonfall.
In dem Augenblick kam Rees aus dem Haus gewetzt und warf sich mit dem Schlachtruf » LILA FIND ICH BLÖD !« gegen meine Beine. Daraus schloss ich messerscharf, dass Bettys Engel, woraus auch immer er bestehen mochte, lilafarben war. David erschien in der Küchentür, wo er kniend auf Betty einredete, die auf dem Weg hinaus war, und sie wegen etwas tröstete. Uns blieben nur noch wenige Sekunden. Ich sah Chloe fest in die Augen.
Rot im Gesicht und mit feuchten Augen hob sie die Hand und legte sie sich instinktiv auf die kleine Wölbung ihres Bäuchleins. Ich schätzte sie auf etwa im fünften Monat. Sie biss sich auf die Unterlippe und sah auf irgendeinen Punkt in der Ferne hinter mir. »Es wird aufhören«, sagte sie so leise, dass ich sie kaum hören konnte; dann, eine Spur lauter: »Bestimmt.« Sie sah mir in die Augen und nickte einmal. In ihrem Blick lag eher Entschlossenheit als Reue.
»Gut«, sagte ich, wieder sorgfältig auf den neutralen Klang meiner Stimme bedacht.
Während ich die nagelneu asphaltierte Auffahrt hinunterging, hob ich Rees schwungvoll hoch. Betty hüpfte neben mir und wedelte mit ihrem Engel – einer lila angemalten Klopapierrolle – in der Luft herum.
»Ofenkartoffeln!«, verkündete ich munter. Ich hatte welche in die Röhre geschoben, bevor ich losfuhr. Betty liebte nichts so sehr wie die kleinen goldenen Pfützen geschmolzener Butter, einen Tupfen Mayonnaise und warmen, zerlaufenen Reibekäse.
»Lecker!«, rief Betty.
»Kartoffeln find ich blöd«, steuerte Rees fröhlich bei. Er mochte sie auch.
An der Grundstücksgrenze drehte ich mich um, weil ich David und Chloe zuwinken wollte, doch sie waren schon in ihren Bungalow zurückgegangen und hatten die Tür hinter sich zugezogen.
Und von da an hörte es tatsächlich auf.
Später fragte ich mich, welche meiner beiden Drohungen wohl gewirkt hatte – dass ich die Briefe David zeigen oder dass ich zur Polizei gehen würde. Vielleicht war es beides zusammen. Für mich gab es keinen Zweifel, dass eher meine Drohung als ihr schlechtes Gewissen Chloe Einhalt geboten hatte. Die Polizei muss den Ausschlag
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