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Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Titel: Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Doughty
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ich deutlich sichtbar jede ihr Handy in der Hand hielten. Eine andere Mutter sagte, sie kenne einen Jungen, der in die Capoeira- AG ging, einen aus der Fünften, keiner, den wir kannten. Sie erbot sich, seine Mutter anzurufen und zu fragen, ob er schon zu Hause sei. Wir wussten bereits, dass die AG pünktlich zu Ende gegangen war, aber Sally und ich stürzten uns beide auf diese zusätzliche Wissensquelle, die uns auf einmal ungeheuer bedeutsam erschien. Der Anruf erfolgte. Die Mutter wusste von nichts. Ihr Sohn war nach Capoeira zu einem Freund mitgegangen, aber sie sagte, sie werde dessen Mutter anrufen. Nach ein paar Minuten rief sie zurück, um zu sagen, dass ihr Sohn wie erwartet von der Mutter des Freundes abgeholt worden war. Ich ärgerte mich. Was nützte uns diese Information? Mir ging auf: Was wie eine Straße ausgesehen hatte, die man unbedingt auskundschaften sollte, war eine Sackgasse gewesen, ein sinnloses Ablenkungsmanöver.
    Mittlerweile schwirrte es im ganzen Raum nur so vor nutzlosen Informationen. Alle anderen Mütter wollten beteiligt sein, bekannte ebenso wie wildfremde. Andere Anrufe wurden getätigt, ein Erkundigungsnetzwerk mit uns im Zentrum zog immer weitere Kreise. Im Verlauf dieser Ermittlungen sickerten Nachrichten zu uns durch, aber keine davon war die richtige. Mir war alles andere vollkommen gleichgültig außer dem einen, das ich unbedingt wissen musste: Wo ist meine Tochter? Warum stopften all die anderen Mütter mir den Kopf voll mit den Wissensschnipseln, die sie an Land gezogen hatten – Ferhal geht in die Schach- AG , die zur selben Zeit aufgehört hat wie Capoeira, Shelley geht dienstags ins Kinderzentrum, es hat angefangen zu regnen – all diese verschiedenen Informationen kamen mir in die Quere.
    Ich musste raus aus der Umkleide. Also stand ich auf. »Ich geh selber nachsehen«, sagte ich zu Sally. Rees schmiss sich an meine Beine. Rebecca saß immer noch, kühl und unbekümmert, auf dem Stuhl und ließ ihre Beine ein wenig baumeln. Das Nachbarskind schluchzte weiter, unbeachtet. »Welche Straßen hast du genommen?«, fragte ich Sally.
    »Ich bin den langen Weg gegangen«, wiederholte sie, mittlerweile offen verärgert über mich. »Wie gesagt. Der, auf den wir uns geeinigt hatten.«
    O Gott … Meine Übelkeit nahm mittlerweile überhand. Ich spürte nichts als Luft im Bauch. »Sie müssen den anderen Weg gegangen sein«, sagte ich schwach und versuchte, die Tatsache zu ignorieren, dass sie in diesem Fall schon längst hätten da sein müssen. Plötzlich sollten sie für den kurzen Weg zehnmal so lange brauchen wie für den langen? Mein Hirn sträubte sich gegen jede andere Erklärung. Kurz, lang, die Wörter waren dehnbar geworden, praktisch bedeutungslos. »Ich geh den anderen Weg ab und seh nach.«
    Sally sagte energisch: »Nein, jetzt hör mir mal gut zu. So machen wir es: Ich zieh noch mal mit dem Auto los, dann kann ich mehr abfahren. Ich fahr in alle Seitenstraßen. Du gehst mit den drei Kleinen zu dir nach Hause. Ich hab das Auto. Auf der Hauptstraße war furchtbar viel Verkehr, ein Stau, aber wenn ich da erst runter bin, wird es gut gehen.«
    »Aber wäre es nicht besser, wenn …«
    »Nein.«
    Es kam mir vernünftig vor. Sie hatte das Auto. Ich war zu Fuß. Sie konnte durch die Gegend fahren, größere Gebiete abklappern. Ich konnte die drei Kleinen zu mir mitnehmen – Rees, Rebecca und das schluchzende, für mich immer noch namenlose Kind – und ihnen Abendessen machen. Sie würde Willow und Betty finden und ihnen die gesalzenste Strafpredigt ihres Lebens verpassen. Ich hatte Sally noch nie wütend erlebt, hatte aber im Gefühl, dass es fürchterlich sein würde. Dann würde sie Betty nach Hause bringen und das weinende Nachbarskind abholen und wegbringen, und Miriam würde Rebecca abholen kommen, und ich würde ihr einen Drink aufnötigen und ihr die ganze Geschichte erzählen, und sie würde Ach du lieber Himmel sagen, ehe sie mit Rebecca gehen und endlich wieder Normalität in mein Leben einkehren würde. Ich würde meine Kinder ins Bett bringen und mir noch ein Glas einschenken. So wird es sein, sagte ich zu mir. Alles wird gut.
    Inzwischen war es halb fünf durch, und der Stepptanzkurs dauerte nicht mehr lange. Ich wollte den Gemeindesaal verlassen, bevor die anderen Mädchen herausgeströmt kamen, zu mir liefen und fragten: »Wo ist Betty? Wo ist Willow? Warum sind sie nicht gekommen?« Wo auch immer die Mädchen waren, sie wussten bestimmt, dass sie

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