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Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Titel: Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Doughty
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auch immer man es nennen mag: Ich wusste es, natürlich wusste ich es. Mein Körper rief ein Katastrophenszenario ab, holte die physischen Eindrücke hervor, noch während sich mein Denken diesem Wissen verweigerte, sich wie eine Ratte im Käfig drehte. Die Tür schwang auf. Zwei Polizisten – zwei Polizisten standen an meiner Schwelle, ein Mann, eine Frau. Ich blieb aufrecht stehen, während ich gleichzeitig zu fallen anfing. Die Gesichter der Polizisten waren weit offen. Beide sahen mich aus großen Augen an. Als die Polizistin redete, sah ich, wie sich ihre Lippen bewegten, hörte ihre Stimme aber eher in meinem Kopf als durch meine Gehörgänge, mit Hall.
    »Mrs. Needham?«

4. Teil
    Nachher

14
    Freitagabend. Als ich aus dem Haus trete, ist es dunkel und nass: umfassende Dunkelheit, schneidender Wind – mein natürlicher Lebensraum. Ich denke an die Klippen da draußen am Stadtrand, wie sie in der Nacht warten, daran, wie ich als Jugendliche hinaufstieg, mich an den Rand stellte und meine Wut auf die Ungerechtigkeit des Lebens in den mächtigen Schlund der See brüllte – einer Jugendlichen mag man den Hang zur Dramatik nachsehen, der einer Erwachsenen nicht mehr so recht ansteht. Wie hätte ich mich wohl mit fünfzehn gefühlt, wenn ich gewusst hätte, wie oft ich zurückkommen würde, immer und immer wieder hadernd? Beim Einsteigen in mein Auto denke ich an die Klippen: Wie die schwarzen Wellen hoch aufsteigen und sich brechen. Unterwegs komme ich an mehreren Nachbarn vorbei, die mir alle entgegenhasten, die Köpfe gesenkt gegen den bitterkalten Regen. An so einem Abend will jeder zu Hause sein.
    Ich fahre zum ersten Mal wieder zum Krankenhaus seit damals, als ich Betty dort besucht habe. Ich benutze das Verkehrsleitsystem, kann nicht dieselbe Strecke wie an jenem Abend nehmen. Am Krankenhaus fahre ich zu dem kleinen Hof an der Rückseite hinter unserer Station. Der Hof wird von der weiblichen Belegschaft abgelehnt, weil er schlecht beleuchtet ist und wir im Winter meist nach Einbruch der Dunkelheit Schluss haben. Ich stelle das Auto in die Ecke, unter die Bäume, wo es pechschwarz ist. Schwer atmend halte ich mich am Lenkrad fest. Wenn ich aufgeregt wirke, könnte es sein, dass Jan H. darauf besteht, mich zu begleiten, und das wäre eine Katastrophe.
    Mit fünfminütiger Verspätung steige ich aus dem Auto und überquere den Hof. Als ich um die Ecke biege, sehe ich, dass Jan mich am Eingang unserer Station erwartet, einem ebenerdigen Gebäude mit hässlichem Fertigbautouch, obwohl es in Ziegelbauweise errichtet wurde.
    Sie trägt ihren hellblauen Regenmantel, den Gürtel eng geschnallt, und steht mit dem Rücken zu mir, schaut zum Haupttrakt des Krankenhauses. Als ich näher komme, dreht sie sich um, das perfekt frisierte Haar schwingt mit, das Gesicht ist in erwartungsvolle Falten gelegt.
    »Tut mir leid«, sage ich und eile auf sie zu.
    Sie nimmt mich in die Arme. Ich habe sie seit der Beerdigung nicht mehr gesehen, und da haben wir uns nur in meinem Wohnzimmer kurz und fest beide Hände gedrückt, umgeben von anderen. Ich war in Gedanken so bei der Aufgabe, die mich erwartet, dass ich mich hierauf nicht vorbereitet habe. Wir liegen uns lange in den Armen.
    Ich mache mich los, und sie überreicht mir die Schlüssel. »Ich hab in deinem Büro und in der Küche das Licht angelassen«, sagt sie und wischt sich mit einer behandschuhten Hand die Augen. »Mach es besser aus, wenn du abschließt.«
    Mit feuchten Augen nicke ich. Sie braucht mich nicht darauf hinzuweisen, sagt es nur, um etwas zu sagen. Sie fasst mich am Unterarm und schüttelt ihn leicht. »Willst du das wirklich? Es ist so eine scheußliche Nacht, auch so schon … fühlt sich komisch an, dich einfach hierzulassen.«
    »Fahr nach Hause und trink ein Glas Wein mit Don.« Ich umarme sie wieder, aber kurz, zur Verabschiedung. »Trinkt eins für mich mit.«
    »Wie geht’s Rees?«
    »Dem geht’s gut. Er bleibt jetzt eine Weile bei David.«
    »Na gut, wenn du meinst.«
    Ich lasse die Schlüssel von meinem Finger baumeln, ziehe dann die Augenbrauen hoch. »Ist es der Neue?« Ich meine den Pförtner. Kurz bevor ich mit Arbeiten aufgehört habe, hat ein neuer, junger angefangen. Wir waren uns alle einig, was für eine deutliche Verbesserung er gegenüber dem alten, griesgrämigen bedeutete. »Was fürs Auge«, wie Jan es ausdrückte.
    Jan schüttelt den Kopf. »Leider nein.« Sie geht schon rückwärts in Richtung Hauptgebäude. »Ruf mich zu Hause

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