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Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love

Titel: Was du liebst, gehört dir nicht - Doughty, L: Was du liebst, gehört dir nicht - Whatever You Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louise Doughty
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an, wenn du magst, später? Ich muss noch einkaufen, aber in einer Stunde bin ich da.«
    »Schon okay, ich ruf dich am Montag an.« Abrupt wende ich mich ab, während sie mich noch ansieht. Ich möchte selbstsicher wirken, damit sie ja nicht zurückkommt, um nach mir zu sehen.
    Jan hat die Tür nicht abgeschlossen. Ich trete in den dunklen Flur, reflexartig getröstet von dem billigen Teppichboden, dem Feuerlöscher an der Wand, dem schwarzen Brett mit dem Poster, das Senioren rät, sich gegen Grippe impfen zu lassen – mein altes Leben, mein Leben vorher, die Normalität von alledem. Links von mir ist der Empfangstisch, hinter dem Maurice sitzt. Hinter der Kurve seines Tischs, auch noch zur Linken, liegt der verdunkelte Korridor, der zu unseren Sprechzimmern führt. Rechts das Karree mit Plastikstühlen, wo die Patienten warten, dahinter die Küche. Ich gehe hinein und sehe mich um. In unserer Abteilung ist auf alle Verlass, dass sie ihre Tee- und Kaffeetassen selber spülen. Alles ist eingeräumt bis auf ein Glas koffeinfreien Instantkaffee, das neben der Mikrowelle stehen gelassen wurde. Ich gehe zur Arbeitsfläche rüber und nehme es in die Hand, mache eine Schranktür auf, um es einzuräumen – und bin erschlagen.
    Die Kaffeegläser und Schachteln mit Teebeuteln gehören in das untere Schrankfach. In dem Fach darüber stehen die Tassen. Wir haben jeder eine eigene, und unser Team ist so klein, dass wir wissen, wem welche gehört. Meine hat Betty mir vor zwei Jahren bemalt. Sie ist aus so einem »Bemal eine Tasse«-Bastelset: schlichte weiße Glasur, auf die sie ein Zeichen gemalt hat – eine Blume, grüner Stängel und gezackte Blätter, die Blüte gelb in der Mitte und mit roten Blättern, rund und voll und überdimensional im Vergleich zum Rest des Ganzen: eine Blume wie keine Blume, die es je gab, das Signal eines Kindes, um zu sagen: Ich hab dich lieb. Das hab ich für dich gemacht.
    Ich hatte recht, allein herzukommen, auch ohne Hintergedanken. Wie konnte ich die Tasse vergessen? Ich mache die Schranktür zu und gehe vorsichtig und langsam zur Küchentür, wo ich das Licht ausschalte und minutenlang in der Tür stehen bleibe, durchatme. Ich darf mich davon nicht ablenken lassen, denke ich. Es muss mich anstacheln.
    Rasch gehe ich in den Empfangsbereich zurück und setze mich an Maurice’ Tisch. Eine Weile sitze ich da und starre seinen Computer an, der das Wochenende über ausgeschaltet ist, blank und leer, eingeschlafen. Mein Gesicht erscheint auf dem Bildschirm, mein hageres, schwarzäugiges Gesicht. Sehe ich jetzt wirklich so aus, oder spielt mir die leichte Wölbung der dunklen Fläche den Streich, mein Spiegelbild zu verzerren? Ich schalte den Computer seitlich am Monitor an, und er macht ein glucksendes Geräusch, wie ein Haustier.
    Ich klicke die Datei des Upton Centre an, in dem Aufnahmen in alphabetischer Reihenfolge der Nachnamen aufgelistet sind. Rasch überprüfe ich es. Richtig geraten. Sowie ich gefunden habe, was ich brauche, drucke ich es aus, schalte das Gerät aus und vergewissere mich, dass auf Maurice’ Tisch alles so aussieht wie vorher. Er ist ein besonders ordentlicher und tüchtiger Rezeptionist und darf auf keinen Fall merken, dass ich auch nur hier war.
    Bevor ich das Gebäude verlasse, gehe ich in den dunklen Korridor hinein. Ich brauche mein Büro nicht zu betreten, aber ich möchte das Licht ausmachen, das Jan angelassen hat. Es sind zwar nur ein paar Schritte, doch das seltsame Gefühl, nach Feierabend im Dunkeln hier zu sein, scheint den kurzen Weg über den fadenscheinigen Teppichboden zu verlängern: dünn, billig, für unseren Trakt war beim Bau nicht mehr viel Geld übrig. Meine Bürotür besteht aus irgendeinem orange verkleideten Sperrholz. Der Metallknauf quietscht, als ich ihn drehe, die aufschwingende Tür gibt den Blick auf mein Büro frei, das quadratisch und von der Neonröhre über dem Schreibtisch hell erleuchtet ist. Der Aktenschrank in der Ecke mit der leeren Vase darauf, das Korkpinnbrett, an dem abgelaufene Rundschreiben hängen – alles ist unangetastet, staubfrei, als wäre ich erst heute hier gewesen und hätte mein normales Leben geführt. Ich war nicht besonders gut darin, meine Arbeitssphäre persönlich zu gestalten – keine Fotos von David oder den Kindern. Der einzige nicht funktionale Gegenstand ist die Geburtstagskarte, die ich vorigen Sommer von meinen Kollegen bekam und die immer noch unten rechts am Rahmen des Pinnbretts hängt.

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