Was du nicht weißt: Roman (German Edition)
Belmont und seine Frau. Christopher heißt der Kleine. Sieht leider aus wie sein Vater.« Rondel lachte laut.
»Also bitte, Mr. Rondel, das sind Kunden von mir!«, ermahnte ihn Emily übertrieben streng, obwohl auch sie sich sehr gut vorstellen konnte, dass es mit Frederic Belmonts Genen nicht zum Besten bestellt war.
»Dann vergessen Sie’s einfach. Komm, Titus, Abmarsch.«
Der riesige Hund erhob sich brav, schüttelte sich und wartete geduldig, bis sein Herrchen die Leine an seinem Halsband befestigt hatte. Rondel schaute dabei zu Emily und zwinkerte ihr verschmitzt zu.
»Noch ein kleiner Tipp, Mrs. Bloom. Vikar Ballard hat die Taufzeremonie abgehalten. Er wollte gleich vom Umtrunk zurück zur Kirche fahren. Also Vorsicht!«
Sie wusste, was das bedeutete, aber sie gab sich nicht die Blöße, Rondels plumpe Art von Humor zu goutieren. Deshalb sagte sie nur: »Vielen Dank für den Hinweis, Mr. Rondel. Und schönen Tag noch.«
Winkend und mit Titus an der langen Leine, verschwand Rondel auf dem Pfad zum Wanderparkplatz. Dort begannen die Wege durch die Heidelandschaft.
Wenig später stieg Emily das letzte Stück durch das Wäldchen zur Straße nach Bouilly Port hinunter. Und noch ehe sie auf dem Asphalt stand, hörte sie, wie das unkontrollierte Jaulen eines Automotors immer lauter wurde. Sofort trat sie wieder ein Stück zurück und blieb abwartend im Schatten eines Baumes stehen.
Godfrey Ballard war unterwegs. Schlingernd, aber immer hübsch auf der Mitte der Straße, kam er mit offenem Verdeck angefahren. Seit seine Eltern ihm zum Ende des Studiums einen kleinen zweisitzigen Sportwagen gekauft hatten, hatte er nie ein anderes Auto besessen. Inzwischen war Godfrey schon vierzig, und das weiße Cabriolet zeigte so viele Rostflecken, dass es aussah, als hätte es Windpocken. Godfrey war in St. Brelade als Vikar hängen geblieben.
Als er Emily entdeckte, bremste er abrupt. Sein erwachsen gewordenes Chorknabengesicht, vom Leben in der Pfarrei gut genährt, strahlte ihr entgegen. Über dem satten Bauch spannte der Stoff des Talars. Der schmale weiße Kragen war mit kleinen Spritzern Ketchup bekleckert.
Bei laufendem Motor rief er gut gelaunt: »Darf ich Sie ein Stück mitnehmen, Mrs. Bloom?«
»Danke, Godfrey«, sagte Emily schnell, »ich gehe lieber zu Fuß.«
Seine Alkoholfahne flatterte bis zu ihr unter den Baum. Doch erstaunlicherweise wirkte sie nicht abstoßend, sondern so dezent wie bei anderen Menschen der Geruch nach Kaugummi. Vermutlich haben wir uns schon viel zu sehr an seine kleinen Ausfälle gewöhnt, dachte Emily mehr amüsiert als erschrocken. Denn eines war klar: Godfrey Ballard war der beste Vikar, den sie je gehabt hatten, und er war überall beliebt. Während der langen Krankheit des alten Rektors hatte Godfrey – damals noch ein junger Kurator – seinen Vorgesetzten ausgezeichnet vertreten. Nur deshalb sah jeder über seine Schwäche für Gin hinweg.
»Wir hatten gerade eine wunderbare T … T … Taufe«, sagte Godfrey strahlend. »Und auch über diesem neuen Erdenbürger wird Gottes Segen halten …« Er stutzte und korrigierte sich sofort. »Nein … wird Gottes Segen walten und wirken für ewig.«
»Amen«, sagte Emily schnell, um die Sache zu beenden. Dann lächelte sie ihn an. »Wissen Sie was, Godfrey? Warum lassen Sie Ihren Wagen nicht einfach hier stehen, und wir laufen gemeinsam zum Pfarrhaus hinunter?«
Der Vikar schüttelte langsam den Kopf. Sein spärliches dunkles Haar klebte auf der Stirn. Mit schwerer Zunge lallte er: »… geht leider nicht, Mrs. Bloom. Ich habe noch eine … -erdigung vorzubereiten.«
Oh Gott, die arme Trauergemeinde, dachte Emily entsetzt. Für einen Augenblick spielte sie mit dem Gedanken, ihn kurzerhand vom Steuer wegzudrängen und selbst den Wagen weiterzufahren. Doch da streckte er schon fröhlich grüßend die Hand gen Himmel und trat aufs Gaspedal.
Mit einem Satz schoss das weiße Auto die abschüssige Straße hinunter. Entsetzt musste Emily mitansehen, wie es in der nächsten Kurve zu schlingern begann. Links und rechts der Straße standen Bäume. Ballard wollte wohl noch bremsen, aber es war schon zu spät.
Sie schloss die Augen und zählte.
Bei drei drang das hässliche Geräusch des Aufpralls an ihr Ohr.
Als sie die Augen wieder öffnete, sah sie den dampfenden Wagen auf dem linken Straßenwall aufsitzen, eingegraben wie ein fehlgeleitetes Geschoss. Mit der Stoßstange hatte er einen frisch gepflanzten jungen Baum aus der Erde
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