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Was du nicht weißt: Roman (German Edition)

Was du nicht weißt: Roman (German Edition)

Titel: Was du nicht weißt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Beling
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mir vom Himmel aus zuschauen und sich fragen, ob das Beichtgeheimnis gar nichts mehr gilt.«
    »Unsinn, Godfrey! Sie wird sich eher fragen, warum ein Mann der anglikanischen Kirche einen Mörder deckt!«
    Schließlich stimmte er zu, allerdings erst, nachdem sie ihm versichert hatte, dass sie ihr Wissen vorerst nicht an die Polizei weitergeben, sondern nur für ihre eigenen Nachforschungen nutzen würde.
    Erleichtert legte sie den Hörer auf. Schon eine halbe Stunde später saß sie im Auto und war auf dem Weg nach Sagan Manor.
    Der Herrensitz des Seigneur Trevor de Sagan – der Titel Seigneur entsprach dem englischen Lord, hatte jedoch auf Jersey eine ungleich stärkere feudalistische Tradition – befand sich dort, wo die Landschaft noch besonders ursprünglich war, in der Mitte der Insel. Hier ließ sich alles, was man sah, mit nur einer einzigen Farbe beschreiben: sattgrün. In Jerseys mildem Klima hatte die Natur einen weitflächigen großen wilden Park hervorgebracht, über dem auf einer sanft geschwungenen Anhöhe das Anwesen Sagan Manor thronte. Aus der Ferne wirkte das Landgut mit seinen vier weißen glatten Säulen sehr elegant. Man vermutete kaum, dass hier schon seit über hundert Jahren Landwirtschaft betrieben wurde.
    Hinter einer Brücke bog Emily von der Hauptstraße ab. Hier begann Trevor de Sagans Privatallee. Sie war schon früher ein paar Mal bei Trevor zu Gast gewesen, zusammen mit ihrem Mann, der mit ihm befreundet gewesen war. Doch jetzt, nach so vielen Jahren, erschien ihr die Zufahrt noch länger als damals. Was sie sofort wiedererkannte, waren die zwei gelben Gutsgebäude, hinter denen das letzte Stück der Auffahrt zum Herrenhaus begann.
    Ob es wohl immer noch die große Herde Jerseykühe gab, für die Trevors Familie so berühmt gewesen war? Schon wenig später entdeckte sie die Tiere. Sie hielt den Wagen an, ließ die Scheibe herunter und beobachtete fasziniert, wie sie grasten. Jerseykühe waren etwas ganz Besonderes, es gab sie nur hier auf der Insel. Ihre schmalen braunen Körper und die ausdrucksstarken großen Augen erinnerten Emily jedes Mal an sanfte Hirschkühe. Es war ein friedlicher Anblick, der ihr ein kleines bisschen die Unruhe vor dem Treffen nahm.
    Sie fuhr im Schritttempo weiter, bis sie die Anhöhe erreicht hatte. Vor ihr lag das Haupthaus mit seinen weißen Säulen. Der rechte Gebäudeflügel war im Gegensatz zu früher ganz von rotem Weinlaub bewachsen. Auch das turmgroße runde Taubenhaus – in früheren Jahrhunderten ein besonderes Privileg der Seigneurs – hatte sich leicht verändert. Man hatte ihm ein neues Strohdach verpasst. Direkt dahinter stand eine offene Garage für die Traktoren. Alles andere schien sich nicht verändert zu haben. Zum Glück hatte man auch die zwei prachtvollen Zedern im Park nicht angerührt.
    Emily war sich immer noch nicht klar darüber, wie sie bei Trevor vorgehen wollte. Sie hatte zwar vorhin kurz mit ihm telefoniert und ihren Besuch angekündigt, aber die Wiederbegegnung würde schwierig werden. Das wusste sie jetzt schon.
    Trevor de Sagan war ein Jugendfreund ihres Mannes gewesen. In Emilys Augen trug er ganz erheblich Schuld daran, dass Richard später oft mit seinem Leben als schlichter Teeimporteur gehadert hatte. Er und Trevor kannten sich seit der Kinderzeit. Richards Vater war der Jagdaufseher des alten Seigneur, sodass Richard und Trevor zusammen aufwuchsen, bis Trevor schließlich nach Eton ging. Erstaunlicherweise hatte ihre Freundschaft auch später noch gehalten, wobei der Begriff Freundschaft vielleicht nicht ganz treffend war. Trevor nahm Richard wie einen Hund überall mit hin, und Richard fühlte sich geschmeichelt. Noch als Jugendliche spielten sie in den Ferien regelmäßig zusammen Tennis – auf dem Privatplatz der Sagans –, ritten gemeinsam aus – auf den Vollblütern der Sagans – oder gingen segeln – natürlich auf der teuren französischen Jacht der Sagans. Richard war stets nur ein geduldeter Begleiter des verwöhnten reichen Trevor gewesen. Und es hatte ihm nicht gutgetan.
    Noch während Emily aus dem Auto stieg und ihre schwarze Handtasche vom Rücksitz holte, lief ihr laut bellend ein brauner Setter entgegen. Er schnupperte an ihr herum, ließ sie jedoch unbehelligt die breite Treppe zum Eingang hochsteigen.
    Aus dem linken Seitengebäude ertönte ein Piff, und der Hund verschwand, während Trevor de Sagan aus der Eingangshalle ins Freie trat. Er war jetzt Ende fünfzig, ein fülliger Herr, braun

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