Was du nicht weißt: Roman (German Edition)
die Beine übereinander und sagte: »Du hast vielleicht gelesen, Trevor, dass ich die Leiche einer jungen Nachbarin aus St. Brelade’s Bay gefunden habe. Debbie Farrow.«
Er wurde ernst. »Ich hatte keine Ahnung, dass du das warst …«
»Es war schlimm. Und das ist jetzt schon der zweite Mord auf Jersey innerhalb einer Woche.«
Trevor blickte sorgenvoll. »Gestern Nachmittag stand beim Empfang des Bailiff zufällig der Chef de Police aus St. Aubin neben mir …«
»Harold Conway …«
»Ja. So ruppig der Bursche sonst auch ist, er hat etwas Vernünftiges gesagt: Kriminalität macht eben auch vor den Inseln nicht halt.«
»Ein schwacher Trost für Debbie, findest du nicht?«
»Oh ja, natürlich …«
Sie glaubte zu spüren, wie er sich bei der erneuten Erwähnung von Debbies Namen in eine Schutzhülle aus Kälte zurückzuziehen begann. Jetzt muss ich angreifen, dachte sie, sonst ist es womöglich zu spät. Und ich muss es erbarmungslos tun, sonst gibt er es nie zu.
Sie schoss ihre Frage wie einen Pfeil ab. »Trevor, ich möchte dich etwas fragen. Hast du Debbie Farrow gekannt?«
Er lachte nervös auf. »Nein. Warum sollte ich?«
»Weil sie einen kleinen Sohn hatte, der Bluter war – wie du. Und weil ihre Mutter vor einunddreißig Jahren auf Sagan Manor ein Black Butter -Fest gefeiert hat, das sie nie wieder vergessen konnte.«
Sie hatte nicht damit gerechnet, dass gleich ihr erster Schuss treffen würde. Trevor wurde blass. Die Fassade aus Arroganz und Geschmeidigkeit bröckelte schlagartig.
Er setzte sich auf und starrte sie an. Seine Bräune wirkte in diesem Augenblick wie eine traurige Tünche. »Woher weißt du das?«
»Debbie hatte sich jemandem anvertraut. Ich habe es nur durch Zufall erfahren.« Sie versuchte, jegliche Schärfe aus ihrer Stimme zu nehmen, während sie weiterredete. »Trevor, dass ich jetzt hier sitze und dich frage, hat nichts mit der Polizei zu tun. Ich möchte, dass du das weißt.«
»Und das soll ich dir glauben?«
»Es ist so. Debbie und ich haben uns gut gekannt. Es würde mich sehr quälen, wenn ich nicht alles tun würde, um sie nachträglich besser zu verstehen. Bitte sag mir die Wahrheit: War Debbie deine Tochter?«
Trevor stützte sich auf die Ellbogen, legte die Hände zusammen und legte das Kinn darauf. So blickte er einen Augenblick lang nachdenklich auf die beiden Warhol-Lithografien an der Wand. Dann erst schaute er wieder zu Emily und sagte schließlich seufzend: »Also gut … Ja, sie war meine Tochter. Wir haben sogar einen Gentest machen lassen. Er war positiv.« Sein Blick bekam etwas Flehendes. »Glaub mir, Emily, ich hatte wirklich keine Ahnung. Die Geschichte mit ihrer Mutter, damals in der Black Butter -Nacht …«
»Die Geschichte?« Emily musste an sich halten, um nicht die Beherrschung zu verlieren. »Trevor, es war eine Vergewaltigung! Du hast das Leben von Mary-Ann zerstört! Und du hast dich nie mehr um sie gekümmert! Ist dir das eigentlich klar?«
»Danke, dass du mich darauf aufmerksam machst«, antwortete er scharf. »Was denkst du eigentlich? Dass es mir egal war, was ich damals angestellt hatte? Sturzbetrunken bin ich gewesen. Ich habe es mein Leben lang bereut. Aber es war nun mal passiert, und das Leben ging weiter. Warum hat sie sich nicht gemeldet, als sie wusste, dass sie schwanger ist?«
»Das weißt du selbst. Weil sie sich geschämt hat. Aber lass uns damit aufhören, Trevor. Ich glaube, es ist sinnlos, dass wir jetzt darüber diskutieren. Wann war das, als Debbie zum ersten Mal zu dir kam und dir gesagt hat: Ich bin deine Tochter?«
»Vor zehn Monaten. Sie stand eines Morgens vor der Tür und ließ sich nicht mehr abwimmeln. Dann hat sie es mir gesagt. Sie wusste jedes Detail aus der Black Butter -Nacht. Ihre Mutter hatte es ihr erzählt.«
»Ich weiß. Kurz bevor sie starb. Aber das liegt schon vier Jahre zurück. Warum hat Debbie mehr als drei Jahre gewartet, bis sie zu dir gekommen ist? Hat sie dir das erklärt?«
Trevor zuckte mit den Schultern. »Wenn ich jetzt darüber nachdenke – nein. Aber zu dieser Zeit hat ihr kleiner Sohn noch gelebt. Da hatte sie wahrscheinlich ganz andere Sorgen.«
»Wäre das nicht erst recht ein Grund gewesen, sich bei dir zu melden? Debbie hatte wenig Geld. Du mit deinen finanziellen Mitteln hättest Davids Leben vielleicht sogar retten können. Er war immerhin dein Enkel.«
Trevor fuhr auf. Emily wusste von Richard, dass er schnell jähzornig werden konnte. Trotzdem erschrak sie, als er
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