Was du nicht weißt: Roman (German Edition)
seinen Worten weiter zu.
Er wusste, wie sehr er sie quälte. Entsprechend genüsslich fuhr er fort. »Auch wenn du die Wahrheit nicht wissen willst – aber dein wunderbarer Mann ist der Vater von Debbies Schwester Constance. Du kennst doch die Kleine, nicht wahr? Er hat sogar regelmäßig für sie bezahlt.«
Emily starrte Trevor ungläubig an. Dann drehte sie sich um, angeekelt von seinem höhnischen Blick, und stürmte in den Flur hinaus. Als sie durch die Halle rannte, warf sie die Bodenvase um, die klirrend auf dem Boden zersprang.
Erst draußen im Hof kam sie wieder zu Atem. Ohne sich noch einmal umzublicken, riss sie die Tür ihres Wagens auf und ließ sich auf den Sitz fallen. Mit zitternden Händen startete sie den Motor und raste los.
Sie brauchte ein paar Stunden, bis sie den Schock halbwegs verkraftet hatte. Nachdem sie von Sagan Manor zurückgekehrt war, hatte sie sich weinend ins Schlafzimmer zurückgezogen und sich angekleidet aufs Bett geworfen. Doch je mehr sie dort über Trevor de Sagans Behauptungen nachdachte, desto mehr wuchs in ihr die Erkenntnis, dass er vermutlich die Wahrheit gesagt hatte. Plötzlich erschien ihr das ganze Haus, und vor allem das Schlafzimmer, von Richards Lügen vergiftet.
Als sie es nicht mehr aushielt, flüchtete sie in den Garten, der immer ihr Garten gewesen war.
Fast manisch ging sie mit einem kleinen Eimer in der Hand durch die Beete und sammelte Dutzende gefräßiger Nacktschnecken ein. Nun mussten die armen Dinger für Richard Blooms Verfehlungen büßen. Eine nach der anderen wanderten die schleimigen braunen Schädlinge in den Eimer, als wären sie es gewesen, die Emilys Leben durcheinandergebracht hatten.
Erst als nirgendwo mehr eine Schnecke zu finden war, kam sie wieder zur Besinnung. Der Eimer war zur Hälfte gefüllt. Eigentlich, fand sie, hatten die Schnecken den Tod verdient. Aber dann brachte sie es irgendwie doch nicht fertig, sie umzubringen. In letzter Zeit gab es schon genügend Leichen auf der Insel, dachte sie grimmig. Sie begnügte sich damit, die Schnecken schwungvoll über die Gartenmauer nach unten in den Wald zu kippen.
Wie befreit kehrte sie ins Haus zurück.
Jetzt erst entdeckte sie, dass auf dem Küchentisch, beschwert mit der Knoblauchpresse, ein Zettel lag, auf den Constance eine Nachricht für sie gekritzelt hatte: Conway hat angerufen, dass ich jetzt in Debbies Wohnung kann. Ich habe schnell gepackt und bin dann jetzt weg. Noch mal tausend Dank, Constance .
Emily war erleichtert. Schon während der ganzen Fahrt hatte sie sich mit der Frage gequält, wie sie Constance in dieser neuen Situation gegenübertreten sollte. Wenn Richard tatsächlich der Vater des Mädchens war – war es jetzt Emilys Aufgabe, ihr das zu sagen? Für Emily als Ehefrau war es schwer genug, zu akzeptieren, dass ihr untreuer Mann noch ein Kind gezeugt hatte. Doch wie würde Constance in ihrer jetzigen Verfassung damit umgehen?
Je mehr sich Emily in den folgenden Stunden mit Trevor de Sagans Äußerungen befasste, desto mehr brach die sorgsam versiegelte Schutzhülle auf, die ihr Leben mit Richard bisher umgeben hatte.
Zum Vorschein kam die bittere Wahrheit: Trevor hatte recht. Sie hatte es nur nie wahrhaben wollen.
Mary-Ann Farrow … Wie gut sie passte zu Richards Vorstellungen von einer Frau! So wie sie damals in der Black-Butter -Nacht auch Trevor de Sagans Blut in Wallung gebracht hatte, selbstbewusst und widerborstig, wie sie war.
Ich muss endlich aufhören, mich selbst zu belügen, dachte Emily.
Richard war immer ein liebevoller Vater und Ehemann gewesen, trotzdem hatte er einen schlechten Charakterzug nie ganz ablegen können. Als Mitläufer hatte er sich von Trevor abgeschaut, welche Vorteile es brachte, wenn man in kritischen Augenblicken nur an sich selbst dachte. Emily fragte sich, wie lange Richard und Mary-Ann wohl schon ihr Verhältnis gehabt hatten. Sie rechnete nach. Vierzehn Jahre mussten es auf jeden Fall gewesen sein, denn als Richard mit Mary-Ann nach Frankreich verschwinden wollte, war Constance schon älter als dreizehn. Es war genau die Zeit, als das schmale, dunkelhaarige Mädchen fast täglich bei ihnen zu Gast gewesen war, mit Jonathan kichernd auf der Terrasse gesessen hatte, wo sie Karten spielten und Kuchen futterten. Und wie oft hatte Emily abends, wenn sie im Bett neben Richard lag und von den Streichen der Kinder erzählte, davon geschwärmt, dass Constance wie die Tochter war, die sie sich immer gewünscht hatte
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