Was du nicht weißt: Roman (German Edition)
der Promenade ein Eis essen gegangen, und dann hab ich noch mal bei ihr geklingelt. Da war es vielleicht acht. Wieder nichts. Auch das Handy war ausgeschaltet.«
»Hast du eine Nachricht darauf hinterlassen?«
»Natürlich, immer wieder. Bestimmt fünf, sechs Mal. Dann hatte ich die Nase voll und hab mir in St. Helier ein Hotelzimmer genommen. Im Harbour Inn. Da ist es am billigsten.«
Alles, was Constance sagt, klingt glaubwürdig dachte Emily. Die Bausteine passten perfekt zusammen. Ihr gegenüber hatte Debbie ja ähnliche Andeutungen gemacht. Auch da war es darum gegangen, dass sie neue Erkenntnisse über den Tod ihres Kindes besaß.
»Mein Gott, Constance, wie konntest du das nur so lange für dich behalten?«, fragte sie kopfschüttelnd. »Jetzt lass uns in Ruhe überlegen, wie du aus diesem Schlamassel wieder rauskommst. Am besten, du gehst gleich anschließend zu Harold Conway, bevor Detective Inspector Waterhouse dich in die Finger bekommt.«
Constance nickte. »Das hatte ich auch vor. Ich wollte nur vorher mit Ihnen reden. Auch wegen der anderen Sache …« Sie zögerte. »Hassen Sie mich jetzt?«
»Aber warum denn? Du kannst doch am allerwenigsten dafür, dass mein Mann und deine Mutter …« Sie wollte sagen mich betrogen haben , unterließ es aber.
Constance schien ihr genau anzusehen, dass an diesem Punkt ihr größter Schmerz saß. Tröstend meinte sie: »Es klingt jetzt vielleicht hart, Mrs. Bloom, aber mir hat nach dem ersten Schock geholfen, dass die beiden längst tot sind. So müssen wir wenigstens nicht mehr mit ihnen darüber reden, was sie Schlimmes angerichtet haben …«
Die erwachsene Art und Weise, wie Constance es sagte, rührte Emily zutiefst. Sie waren zwei Opfer ein und desselben Komplotts. Sie würden viel Zeit miteinander brauchen, um den Schmerz zu überwinden. Mit aufmunterndem Lächeln antwortete sie: »Wenn dir das die Sache leichter macht, Constance, dann darfst du so denken … Aber wenigstens wir beide sollten den Mut haben, offen darüber zu reden.«
Constance nickte tapfer. Emily glaubte, einen Ausdruck ehrlicher Zuneigung in ihrem Gesicht zu erkennen, und zog sie im Sitzen spontan an sich.
»Danke!«, flüsterte Constance mit Tränen in den Augen. Mit einem Mal schien sich die gewaltige Anspannung der vergangenen Tage in ihr zu lösen. Emily musste an sich halten, um nicht mitzuweinen. Sie wollte, dass Constance sie für stark hielt. Plötzlich wusste sie, dass sie von diesem Augenblick an eine ganz besondere Verantwortung für Richards Tochter übernahm.
Allmählich wurde ihnen kalt auf den Steinen. Sie standen auf und schüttelten ihre Anoraks aus. Emily dachte mit Sorge daran, dass Constance nach ihrem Geständnis die neue Hauptverdächtige der Polizei sein würde. Wenn es ihr nicht gelang, ein lückenloses Alibi für die Mordnacht vorzuweisen.
Vorsichtig fragte sie: »Hast du das Hotel neulich Abend noch einmal verlassen?«
»Nein«, antwortete Constance, »ich war so sauer auf Debbie, dass ich mich aufs Bett geworfen und den ganzen Abend nur noch Fernsehen geglotzt habe …« Sie brach ab und korrigierte sich. »Nein, stimmt nicht. Um kurz vor neun war ich noch beim Bankautomaten gegenüber und hab mir Geld geholt.«
Emily schloss die Augen und konzentrierte sich. Schon sah sie das mehrstöckige Bankgebäude mit dem breiten Glaseingang vor sich. Es lag tatsächlich genau gegenüber vom Harbour Inn .
»Und am Vormittag bist du dann wieder mit der Fähre nach Weymouth zurückgefahren?«
»Erst nachdem ich mindestens zehn Mal versucht habe, Debbie zu Hause oder auf dem Handy zu erreichen. Wenn ich gewusst hätte, dass sie da schon längst tot war …«
Plötzlich hörten sie hinter sich lautes Geknatter. Überrascht drehten sie sich um. Auf einem Motorrad kam Harold Conway den gewundenen Küstenpfad heraufgefahren. Er saß auf Tims alter Maschine. Sein Oberkörper ragte gerade so weit über die Büsche, dass man sehen konnte, wie ihm unentwegt Zweige ins Gesicht peitschten. Gegen die gnadenlose Fahrweise des Chef de Police wehrte sich der Motor mit grässlich schrillen Geräuschen.
Auf dem letzten Stück gab Conway noch einmal Gas und machte dann neben den Frauen eine Vollbremsung. Er ließ das Motorrad einfach zu Boden fallen und lief auf die beiden zu. Sein Gesicht war puterrot.
»Vorsicht Emily!«, rief er erregt, »sie ist gefährlich!«
»Harold, was soll das …?«
Ohne darauf einzugehen, packte Conway die überraschte Constance am Arm und zog sie
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