Was du nicht weißt: Roman (German Edition)
von Emily weg. Constance schrie auf, versuchte aber nicht, sich zu wehren.
»Miss Farrow, Sie stehen unter dem Verdacht, ihre Schwester getötet zu haben!«, sagte Conway laut.
Emily blieb gelassen. Irgendjemand musste ja die Nerven behalten. »Du kannst sie loslassen«, sagte sie seelenruhig. »Constance hat mir alles erzählt. Sie ist nicht die Mörderin.«
»Sei nicht so naiv!«, bellte Conway. »Hat Miss Farrow dir zufällig auch gesagt, wo sie sich aufgehalten hat, als ihre Schwester ermordet wurde? Dafür gibt es bisher nämlich keine Erklärung.«
Constance schwieg. Emily verstand das gut, sie hätte hier draußen in der Wildnis genauso wenig den Mund aufgemacht. Andererseits musste sie Harold irgendwie besänftigen.
»Ich kann dir verraten, wo Constance in dieser Nacht war«, sagte sie, während sie zu Tims Motorrad ging und es mühsam wieder aufrichtete. »Im Harbour Inn . Sie hat es mir gerade erzählt. Übrigens, wenn du wissen willst, ob sie das Hotel wirklich nicht verlassen hat, solltest du dir mal die Filme der Überwachungskamera aus der Bank gegenüber anschauen. Darauf müsste der Hoteleingang eigentlich zu sehen sein.«
Verständnislos blickte Conway sie an. »Was soll das? Führst du hier die Untersuchung oder ich?«
»Du brauchst dich nicht aufzuregen. Constance wollte sich gerade auf den Weg zu dir machen. Sie hat mit dem Mord nichts zu tun …«
»Halt deinen Mund!« Wütend funkelte Conway Emily an.
Sie hatte ihn noch nie so unbeherrscht gesehen. Sein aggressiver Ton bewies, dass er überhaupt nicht begriff, was sie ihm zu erklären versuchte. Doch selbst wenn sie akzeptierte, dass er unter großem Druck stand, hatte er noch lange nicht das Recht, in dieser Art mit ihr zu reden. Trotzig beschloss sie, ihm eine Lehre zu erteilen.
Conway wandte sich wieder an Constance. Mit kräftiger Stimme, die keinen Widerspruch duldete, sagte er: »Miss Farrow, ich hoffe, Sie machen jetzt keine Schwierigkeiten. Ich muss Sie leider …«
In diesem Moment sprang hinter ihnen das Motorrad an.
Erschrocken blickte Conway sich um. Emily saß breitbeinig auf dem braunen Ledersitz und ließ den Motor aufheulen, als hätte sie nie etwas anderes getan.
»Komm sofort da runter!«, rief Conway laut.
Doch Emily schüttelte den Kopf. »Ihr solltet Euch mal in Ruhe aussprechen!«, brüllte sie gegen den Lärm. »Lasst Euch Zeit! Mein Wagen steht unten auf dem Parkplatz!«
Sie warf ihm den Autoschlüssel zu.
Verdutzt fing er ihn auf. »Aber …«
Weiter kam er nicht.
Emily ließ die Kupplung los und drehte auf. Mit einem gewaltigen Satz schoss die Maschine los, und Emily fuhr winkend davon. Da Tim sein Motorrad getunt hatte, steckte so viel Kraft dahinter, dass sie es problemlos quer über die nasse Wiese lenken konnte, um die Abkürzung zur nächsten Straße zu nehmen.
»Emily!«, rief Conway ihr wütend hinterher. »Du bleibst jetzt stehen!«
Doch alles, was er noch zu sehen bekam, waren Emilys fliegende Haare und das Rücklicht der schweren Maschine.
Wie von John Willingham vorausgesagt, zogen die drei Juristen der West Island Bank noch im Laufe des Vormittags den Schwanz ein und erneuerten mit versteinertem Gesicht ihre alte Kreditzusage an Frank Guiton. Ihre Drohung, dem Pferdezüchter den Geldhahn abzudrehen, entschuldigten sie im Nachhinein mit Kommunikationsproblemen innerhalb der Bank.
Doch Willingham sagte ihnen auf den Kopf zu, dass er Willkür in dieser Drohung erkannt hatte. Nur weil sein Mandant für kurze Zeit in Untersuchungshaft gesessen hatte, glaubte man ihn auf diese Weise als Kunden schnell loswerden zu können.
Die Juristen protestierten. Willingham drohte ihnen jedoch so unverhohlen mit einer gerichtlichen Prüfung all ihrer Vertragswerke, dass sie sofort nachgaben. Sie erklärten sich sogar bereit, den mit Mr. Guiton vereinbarten Zinssatz nochmals um einen halben Prozentpunkt zu senken.
Willingham akzeptierte das Friedensangebot. Zwar war ihm klar, dass es innerhalb der Bank jemanden geben musste, der Frank Guiton nicht leiden konnte und der ihm die Sache eingebrockt hatte, aber das spielte jetzt keine Rolle mehr. Dafür hatte er den Bankern nicht verraten, was er von Guiton wusste: dass Debbie Farrow damals als Angestellte der Bank die Kreditverträge ihres Geliebten hausintern beschleunigt hatte, obwohl sie dazu eigentlich gar nicht berechtigt gewesen war. Dieser Vorgang war für beide Seiten peinlich, und so fiel er einfach unter den Tisch.
Willingham genoss diesen ersten
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