Was du nicht weißt: Roman (German Edition)
zurückkam, hatte sie zwei Reinigungstücher in der Hand.«
»Wozu das?«
»Keine Ahnung.« Wieder überlegte sie. »Doch, jetzt, wo Sie fragen, fällt mir was ein! Während sie die Reinigungstücher in ihre Handtasche gesteckt hat, hat sie gemurmelt, damit meine Hände morgen nicht so nach Fisch stinken .« Lindsay Newman wirkte plötzlich aufgeregt. »Du liebe Zeit, meinen Sie, dass das irgendeine Bedeutung hat?«
Emily versuchte sie zu beruhigen. »Wahrscheinlich nicht. Debbie war ja ursprünglich mit ihrem Freund auf dessen Schiff verabredet. Da macht es durchaus Sinn, dass sie die Tücher noch schnell mitgenommen hat.«
Erleichtert sagte Lindsay Newman: »Da haben Sie auch wieder recht.« Sie blickte auf die große Uhr in der Halle. »Oh Gott, ich muss ins Büro zurück, sonst kriege ich Ärger! Es fällt mir sowieso schon schwer genug, mich auf die Arbeit zu konzentrieren. Ständig geht mir der Mord an Debbie durch den Kopf. Und auch der an dieser armen Polin. Debbie muss es an diesem Morgen genauso gegangen sein. Sie hat den Artikel darüber aus der Zeitung rausgerissen und in ihre Handtasche gesteckt.«
Emily horchte auf. »Gleich als sie von ihrem Cousin kam oder erst später?«
»Als sie kam. Der Mord an der Polin war ja Thema Nummer eins in den Büros. Aber Debbie wollte nichts davon hören. Mir wird übel, wenn ich nur daran denke , hat sie gesagt. Sie war richtig blass.«
»Es ist ja auch furchtbar«, bestätigte Emily.
Lindsay verabschiedete sich eilig. »War schön, sie kennengelernt zu haben«, sagte sie. »Auch wenn ich mir andere Umstände dafür gewünscht hätte. Wir sehen uns dann bei der Beerdigung, nehme ich an. Wann ist die überhaupt? Wissen Sie das?«
»Das wird bestimmt noch dauern«, antwortete Emily ausweichend.
Lindsay Newman verzog das Gesicht. »Oh, natürlich, verstehe. Also, bis dann.« Mit schnellen Schritten ging sie weiter.
Emily blieb nachdenklich am Ausgang zurück.
Was sie soeben erfahren hatte, irritierte sie. Lindsay Newman hatte ihr drei unterschiedliche Informationen gegeben, die auf den ersten Blick nicht zusammengehörten: Debbie hatte an jenem Morgen ihren Cousin getroffen, sie hatte sich intensiv mit dem Zeitungsartikel über den Mord an Jolanta Nowak befasst, und sie rechnete fest damit, dass sie an diesem Abend mit Fisch in Berührung kommen würde.
Hatten auch nur zwei dieser Informationen miteinander zu tun, ergaben sich daraus verschiedene Möglichkeiten.
Variante eins: Debbies Cousin arbeitete am Hafen, wo viel Fisch umgeladen wurde. Hatte ihr morgendliches Treffen mit ihm vielleicht Auswirkungen auf den Abend? Oliver Farrow – das wusste sie von Harold Conway – konnte für die Tatzeit ein bombensicheres Alibi vorweisen, weil er auf dem Polizeirevier festgehalten worden war. Aber vielleicht hatten die beiden sich ursprünglich für den Abend am Hafen verabredet, und Debbie war eher durch Zufall dem Mörder in die Hände geraten, weil Oliver nicht kam?
Variante zwei: Nachdem Debbie morgens den Artikel über den Mord an der Polin gelesen hatte, ahnte sie aus irgendeinem Grund, dass ihr Cousin den Mörder kennen könnte. War sie deshalb nicht gleich ins Büro gefahren, sondern erst zu Oliver?
Gedankenversunken verließ Emily die Markthalle. Sie dachte darüber nach, wann genau sie Debbie auf der Straße getroffen hatte. Dabei stellte sie sich noch einmal intensiv das Ziffernblatt ihrer Armbanduhr vor, auf die sie geschaut hatte, bevor sie in St. Helier geparkt hatte.
Es war exakt um 9 Uhr 04 gewesen. Nur Sekunden später war Debbie ihr entgegengekommen.
Das bedeutete, dass Debbie zu diesem Zeitpunkt schon wieder auf dem Rückweg war von ihrem Treffen mit Oliver. Hatte sie dabei irgendetwas Wichtiges erfahren, weil sie später auf der Straße so hektisch telefoniert hatte?
Mit einem Piepsen meldete sich Emilys Handy. Auf dem Display erschien eine SMS-Nachricht von Tim. Er erinnerte sie daran, dass er heute ausnahmsweise pünktlich um ein Uhr den Laden verlassen musste.
Seufzend steckte Emily ihr Handy wieder ein. Es half nichts, sie musste zurück ins Geschäft. Am liebsten wäre sie jetzt gleich bei Oliver Farrow im Hafen vorbeigefahren, aber das musste leider bis morgen warten.
Ihre Besuche im Krankenhaus machte Sandra Querée so heimlich, dass ihre Kollegen bei der Polizei nichts davon mitbekamen. Sie ging jeden Tag hin, immer wenn sie allein mit dem Streifenwagen unterwegs war und ihr Weg sie durch St. Helier führte. Oft schaute sie nur
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