Was du nicht weißt: Roman (German Edition)
Vernehmungsakte auf. »Oh, welche Ehre! Bitte nehmen Sie doch Platz!«
Er erhob sich ein paar Zentimeter von seinem Stuhl und wies auf den Besuchersessel auf der anderen Seite des Schreibtisches.
»Guten Morgen, Mr. Conway«, antwortete Jane Waterhouse. Sie blieb seltsam unruhig mitten im Raum stehen. Irgendwie wirkte sie unsicher. »Ich bin gerade auf dem Weg zum Sicherheitschef des Innenministers, wollte aber vorher noch etwas Dringendes mit Ihnen besprechen.«
Conway sah sich durch ihr merkwürdiges Verhalten gezwungen, nun doch aufzustehen.
»Hat die Großfahndung etwas ergeben?«
»Nein, bis jetzt nicht … Und genau das könnte unser Problem werden. Mir gehen die Leute aus.«
»Deshalb habe ich heute Morgen auch den Vorschlag gemacht, zusätzlich zwei Mitarbeiter anzufordern. Die könnten sich ausschließlich um die Suche nach dem Pick-up kümmern. Außerdem sollten wir von Scotland Yard einen Profiler kommen lassen …«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein, vergessen Sie’s. Es gibt nämlich ein kleines politisches Problem. Der amerikanische Außenminister will morgen überraschend einen Abstecher von London nach Jersey machen. Er wird gegen Mittag hier eintreffen. Ihnen ist sicher klar, was das bedeutet.« Ihre Stimme klang ausnahmsweise mal ironisch. »Ab jetzt werden unsere Leute gebraucht, um durch die Kanalisation zu kriechen und unter Autos nach Bomben zu suchen. Also machen Sie sich keine Illusionen. Wir behalten den Stab, den es jetzt gibt, bekommen aber keinen einzigen Beamten mehr.«
Conway spürte, wie Zorn in ihm aufstieg.
»Haben Sie vergessen, dass ein Menschenleben auf dem Spiel steht? Sie wissen doch genau, was es heißt, wenn wir Constance Farrow nicht innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden finden …« Er machte eine kleine Pause und nahm seine erregte Stimme wieder etwas zurück. »Ist das alles schon beschlossene Sache?«
»Ja, mir blieb nichts anderes übrig. Schließlich geht es hier um übergeordnete Staatsinteressen.«
Conway begriff, wie es gelaufen war. Vor lauter Ehrgeiz und aus Sorge, dass sie damit ihren Aufstieg gefährden könnte, hatte sie das Ansinnen des Ministeriums widerspruchslos hingenommen. Ließen sich die Morde dann später nicht aufklären, konnte sie sich jederzeit damit entschuldigen, dass der überraschende Staatsbesuch ihre Ermittlungen leider gebremst hätte. Niemand würde es wagen, ihr einen Vorwurf zu machen.
Doch Conway gab sich so schnell nicht geschlagen. »Warum machen Sie nicht von der Möglichkeit Gebrauch, einen Profiler von Scotland Yard anzufordern? Ich wäre dafür.«
Beide wussten, dass dieser Weg nur in Ausnahmefällen beschritten wurde, denn ein solches Verfahren bedeutete in den meisten Fällen Gesichtsverlust für Jerseys Polizei.
Sie reagierte, wie er erwartet hatte. »Also bitte – dafür gibt es nun wirklich keinen Anlass! Wir kommen auch alleine klar. Machen Sie Ihre Arbeit, Mr. Conway, und ich mache meine. Und es würde mich sehr wundern, wenn wir nicht bald Ergebnisse hätten.«
Zufrieden stellte Conway fest, dass sie ihm mit dieser deutlichen Ablehnung die Möglichkeit gegeben hatte, selbst tätig zu werden. Ob sie sich darüber im Klaren war?
Sie ging zur Tür und warf ihm schnell noch einen versöhnlichen Blick zu. »Wir werden schon einen Weg finden! Also dann, bis zu unserer Sitzung heute Nachmittag!«
Nachdem sie sein Büro verlassen hatte, ließ sich Conway wieder auf seinen Schreibtischstuhl fallen.
Er hatte die Nase voll und wünschte sich, dass wieder alles so wurde, wie es vor dem Auftauchen von Detective Inspector Jane Waterhouse gewesen war: unpolitisch, ohne neumodische Taktiererei, eine Zusammenarbeit der kurzen Wege. Bis heute gab es auf Jersey keine Parteien, sondern nur freie Abgeordnete, die von den Bürgern direkt ins Parlament gewählt wurden. Einigen Leuten passte das nicht, sie hätten lieber politische Netzwerke gefördert, doch noch funktionierte die gute alte Jersey-Methode. Jeder kannte jeden, bis hin zum Bailiff . Und es war das Recht jedes Bürgers, um Hilfe zu bitten, wenn er sich im Unrecht fühlte.
Das war auch sein Recht als Chef de Police. Und es wurde Zeit, dass er Gebrauch davon machte. Er öffnete die Ledermappe mit dem offiziellen Briefpapier der Honorary Police St. Brelade, griff zu seinem schwarzen Füllhalter und begann, dem Bailiff einen sehr persönlichen Brief zu schreiben.
Es ließ Emily keine Ruhe. Sie hatte einen schweren Fehler gemacht.
Oliver Farrow war im
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