Was es heißt, in den Krieg zu ziehen
konzentrieren), wäre ohne den Umstand nicht möglich, dass die Errichtung des Memorials schon in sich ein Akt der Erkenntnis und des Stolzes für die Veteranen war, die schließlich selbst dafür sorgten, dass es vollendet wurde. Das Memorial ist nicht von einer dankbaren Nation errichtet worden, sondern von Veteranen, die sich ihre Selbstachtung erhalten hatten und darum kämpfen mussten, dass es an dem Ort entstehen konnte, an dem es sich heute befindet.
Die Erfahrung der Kriegsveteranen ist immer noch nicht öffentlich gemacht, sodass die ganze Kultur von dem Wissen um ihr Leid und ihren Stolz profitieren und die Einstellung der Gesellschaft gegenüber Krieg und Kampf psychologisch und spirituell reifen könnte. Keine Nation wird je reif werden und eine vernünftige Außenpolitik betreiben, solange ihre Krieger, ihr Volk und ihre Führer nicht mit gleichen Gefühlen über alle Aspekte des Krieges zu sprechen lernen, auch über Sätze wie diese: »Ich habe das ganze Tal in Brand gesetzt«,
und:
»Es hat mir so wehgetan, ich habe um die Kleinen geweint, als wären es meine eigenen Kinder gewesen.« Ohne die positiven und negativen Seiten lässt sich die Erfahrung des Krieges nicht zutreffend vermitteln, und wir werden weiter den Glanz des Krieges suchen, ohne uns seine Kosten bewusst zu machen.
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11 Sich in Mars einfühlen
Dass wir uns in den Kriegsgott Mars einfühlen sollen, sage ich mit durchaus gemischten Gefühlen. Wie kann ich unterstellen, dass sich überhaupt irgendein Mensch in diesen furchterregenden und doch rechtfertigenden Gott einfühlen könnte? Mars, das ist die grundlegende organisierende Kraft hinter schrecklichen Verheerungen des Krieges, die unsere kleine menschliche Psyche weit überfordern. Wie kann man sich in Gettysburg »einfühlen«, in Stalingrad oder Hiroshima? Und doch müssen wir es versuchen, damit es nicht wieder zu ähnlichen Katastrophen kommt. Angesichts dieser offenbar überwältigenden Kraft will ich den Namen »Mars« für die kriegerischen Elemente unserer Psyche benutzen, die den Krieg gleichzeitig lieben und hassen und über die wir Kontrolle ausüben können. Ich tue das, weil ich glaube, dass wir den Bereich bewusster Kontrolle kontinuierlich ausdehnen können. So haben wir im Irak weit weniger zerstörerisch Krieg geführt als noch im Zweiten Weltkrieg. Ich persönlich verstehe den Krieg heute anders als noch mit zwanzig Jahren. Das gibt mir Hoffnung für die Menschheit.
In diesem Buch habe ich versucht, meine Kriegserfahrungen offen und ehrlich darzustellen, immer mit dem Gedanken daran, wie ich wohl mit mehr Weisheit und mit mehr psychologischer, spiritueller und ethischer Reife mit ihnen umgegangen wäre. Ich habe behauptet, wären mir zu meiner Zeit in Vietnam die Zusammenhänge bereits bewusster gewesen, hätte ich ebenso wirksam, wenn nicht noch wirksamer zur Erreichung der Kriegsziele beitragen können. Ich hätte weniger Verwüstung angerichtet, weniger Schmerz bereitet und dennoch meinen Job getan, vielleicht sogar besser. In diesem Kapitel will ich vor dem Hintergrund meiner dargelegten Erfahrungen ein paar allgemeinere Aspekte des Führens von Kriegen ansprechen, durch die wir, wie ich denke, unser Verhältnis zu Mars verbessern können, die jedoch eher die Gesellschaft als den Einzelnen betreffen.
Kriegerethik und Psychologie: Waites Diktum und das Diktum des Kriegers
Terry Waite flog 1987 als Gesandter des Erzbischofs von Canterbury in den Libanon, um über die Freilassung von Geiseln zu verhandeln. Während er dort war, wurde er selbst als Geisel genommen. Fünf Jahre lang fürchtete er Tag für Tag um sein Leben. Er trug ständig eine Augenbinde und war angekettet, manchmal wochenlang in Embryonallage. Er wurde gefoltert. Wenn jemals ein Mensch einen guten Grund gehabt hätte zu fliehen, wäre es Terry Waite gewesen.
Irgendwann während seiner Gefangenschaft brachte ihn sein Bewacher wie gewohnt mit einer Augenbinde zur Toilette. Als Terry Waite in den kleinen Raum kam, nahm er sich die Binde ab, und da, von jemandem auf der Toilette zurückgelassen, lag ein geladenes automatisches Gewehr. Außer seinem Bewacher, der ahnungslos vor der Tür wartete, war in diesem Moment niemand da. Waite verließ die Toilette und gab dem Mann die Waffe.
In einem Interview nach seiner Freilassung sagte Waite, er hätte seinen Bewacher zweifellos töten und fliehen können. Er übergab dem Mann das Gewehr, weil er seinen Geiselnehmern und anderen Terroristen
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