Was es heißt, in den Krieg zu ziehen
[16] Ein Krieger muss sein Bestes tun, um auf der »richtigen« Seite zu stehen, darf aber nicht naiv davon ausgehen, dass er immer eine kluge Wahl trifft. Niemand von uns, bis hoch zum Präsidenten, verfügt über wirklich alle Informationen. Und selbst wenn es so wäre, wären sehr viele von uns unfähig, ihre Erziehung und ihr Umfeld außer Acht zu lassen und frei von allen kulturellen Voreingenommenheiten zu urteilen. Jede Handlung, egal, wie gut sie gemeint gewesen sein mag, kann am Ende missbraucht werden. Denken wir nur an die edlen Kämpfer der Russischen Revolution, die frühen Baathisten im Irak und all die wundervollen Menschen, die im Amerikanischen Bürgerkrieg aufseiten der Konföderierten gekämpft haben.
Es gibt kein narrensicheres Rezept, wenn es darum geht, die richtige Seite zu wählen, nur Richtschnüre. Der Krieger arbeitet in extremen Bereichen, und je weiter sich der Kampf vom täglichen Leben entfernt, desto weniger tauglich sind sie. Deshalb müssen wir sehr viel mehr über den Charakter als über Regeln reden, wenn es um Extremsituationen wie den Krieg geht, ob wir nur darüber reden oder selbst an ihm teilnehmen.
Krieger werden immer mit Schuldgefühlen und Trauer umzugehen haben, und es ist unglücklich, dass die Schuldgefühle und die Trauer hauptsächlich jene betreffen, von denen Schmutzarbeit gemacht werden muss. Die Wahl der richtigen Seite kann die Schuldgefühle lindern. Trauer kann sie lindern. Aber wie der Rucksack, wie Munition, Wasser und Verpflegung gehören Schuld und Trauer zum Gepäck des Soldaten, beides trägt er für die Gesellschaft, für die er in den Kampf zieht.
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4 Gefühllosigkeit und Gewalt
Der ethische Krieger muss es vermeiden, zwischen der Liebe zur Macht und dem Kitzel von Tod und Zerstörung aufgerieben und den Schrecken gegenüber gefühllos zu werden. Gefühllosigkeit lernen wir in unserer Gesellschaft von klein auf. Sie beschützt uns. Wir wollen sie. Der Krieger der Zukunft jedoch wird sich von der erlernten Gefühllosigkeit lösen und dem Schmerz öffnen müssen. Gleichzeitig aber muss er sich der Gefahr bewusst sein, sich vom Rausch der Erhabenheit der Macht mitreißen zu lassen.
Ich habe einen Freund, der als A- 4 -Pilot der Navy auf zwei Flugzeugträgern stationiert war, von denen aus Nordvietnam bombardiert wurde. Diese Bombardements gehören zu den härtesten Lufteinsätzen in der Geschichte des Luftkrieges. Wenn man sich die nächtlichen Landungen auf den schwankenden Flugzeugträgerdecks vorstellt, muss man anerkennen, dass diese Piloten wirklich mutige Männer waren.
Meinen Freund haben seine Flugeinsätze damals tief gezeichnet, aber wie die meisten Vietnam-Veteranen spricht er kaum darüber. Er führt einfach sein Leben weiter, ist ein erfolgreicher Geschäftsmann und ein aktives Mitglied seiner Heimatgemeinde, seine Frau engagiert sich in der örtlichen Kirchengemeinde. Manchmal fliegen wir mit seiner Cessna. Er weiß, ich begreife, dass er nur spielt, wenn er seine Cessna plötzlich eine Rolle beschreiben lässt, tief übers »Landedeck« steuert, einen Fahrradfahrer »beharkt« und von der Entfernung zum »Zielobjekt« redet statt vom nächsten Flugplatz. Mit mir kann er das machen, ich fälle kein Urteil über ihn. Er weiß, dass ich Ähnliches erlebt habe.
Zufällig traf ich ihn am 16 . April 1986 zum Essen, dem Tag nach dem ersten amerikanischen Bombardement Libyens. Ich fragte ihn, was er davon halte, und erwartete die gewohnte vernünftige Antwort des erfolgreichen Geschäftsmanns. Er legte die Gabel auf die weiße Tischdecke, und sein Kinn arbeitete, während er ohne ein Wort auf seinen Teller starrte. Schließlich sah er mich an, und die Feuchtigkeit ließ seine Augen glänzen. »Verdammt, ich wünschte, ich wäre dabei!« Das war alles, was er dazu sagte.
Was machen wir mit diesen Gefühlen? Er hat sie. Ich habe sie. Wohin mit dieser Energie?
Die erste Reaktion vieler Leute auf diese Geschichte ist, dass mit dem Mann etwas nicht stimmt. »Denkt er nicht daran, dass da unschuldige Menschen getroffen werden?« Ich glaube schon, dass er daran denkt, aber es ist nicht seine erste Reaktion, und darum erzähle ich die Geschichte. Dieser Ex-Navy-Pilot ist ein ehrlicher Mann, und er hat keine Angst, seine Empfindungen zu zeigen, wenigstens nicht vor mir. Stellen wir uns angesichts dieser Gefühle, die ganz offenbar nahe unter der Oberfläche liegen, nur die widerstreitenden Kräfte und Zwänge vor, die Tag für Tag in ihm
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