Was es heißt, in den Krieg zu ziehen
arbeiten müssen, wenn er pflichtbewusst ins Büro, mit seiner Frau in die Kirche und mit den Kindern zum Sport geht.
Ähnliche unterbewusste Konflikte bedrücken uns, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß. Aber die meisten von uns halten sie im Gegensatz zu meinem Freund gut verborgen. Es ist leichter, diese unerwünschten Spannungen zu unterdrücken und Leute wie meinen Freund zu verdammen, als bewusst mit ihnen zu leben.
Der Aspekt des Krieges, den wir uns heute am wenigsten eingestehen, ist, wie berauschend er sein kann. Damit ist schwer umzugehen. Es ist nicht nur politisch unkorrekt, sondern richtet sich grundsätzlich gegen die Moralvorstellungen, die uns in Schulen und Kirchen vermittelt werden. Die harte Wahrheit ist, dass ich, solange ich denken kann, immer gerne an den Krieg gedacht habe, und ich bin nicht der Einzige, dem das so geht. Als Junge habe ich mit meinen Freunden im Wald Krieg gespielt, habe Bücher über ihn gelesen, und es gibt Leute, die diese Bücher geschrieben haben. Ich habe Filme über ihn gesehen, und natürlich sind auch die von jemandem gedreht worden. In meiner Collegezeit habe ich Strategiespiele gespielt, die ebenfalls von jemandem entwickelt und verkauft wurden. Und in Vietnam gab es Zeiten, in denen ich fast geplatzt wäre vor Stolz über die Zerstörung, die ich anrichten konnte. Es ist diese tiefe, wilde Lust an der Zerstörung, die über jede Selbstüberhöhung hinausgeht – vielleicht beinhaltet sie vielmehr den Verlust des Egos. Wie man mir sagt, gilt Ähnliches für die religiöse Ekstase. Es ist wie bei einem Kind, das den mit größter Sorgfalt aufgebauten Bauklotzturm umstößt. Es ist das große Feuer, das wir entzünden, das Gebäude, das wir einreißen, das Zerschießen von Tontauben. Es sind die Silvesterkracher und die Zerstörungsderbys am 4 . Juli. Ein Teil von uns liebt die Zerstörung. Nietzsche sagt: »Ich bin meiner Art nach kriegerisch. Angreifen gehört zu meinen Instinkten.« [17]
Richard Ellmann, der große Yeats-Biograf, hat die richtige Antwort. Er sagt, dieses Gefühl ist nichts anderes als eine weitere Seite der Kreativität, oder in der Terminologie C.G. Jungs: die Schattenseite der Kreativität. »Der Drang zur Zerstörung, wie der Drang zur Kreativität, ist eine Trotzhaltung gegenüber der Begrenzung; wir übertreffen uns selbst, indem wir uns alles zu akzeptieren weigern, was menschlich ist, und dann beginnen wir unbeugsam, Neues zu ersinnen.« [18]
Beängstigend ist, dass der Weg des Sichübertreffens weit einfacher durch Zerstörung zu gehen ist als durch Kreativität. Und der Pfad der Zerstörung ist mit fortschreitender technologischer Entwicklung immer einfacher zu begehen, während es so schwer wie eh und je ist, Dinge zu erschaffen, ob sie nun spiritueller, künstlerischer oder kommerzieller Natur sind. Unternehmen, die über Jahrzehnte aufgebaut wurden, können innerhalb von Wochen »geplündert« und »zerschlagen« werden. Bücher, die jahrelange Mühen und Opfer erfordert haben, lassen sich in Minuten verbrennen.
Je leichter der Weg der Zerstörung zu beschreiten ist, desto eher werden wir ihn gehen. Das ist ein weiterer Grund dafür, warum Krieger vor allem spirituelle Menschen sein müssen, also Menschen, die von Beginn an einen anderen Weg beschreiten. Kierkegaard sagt: »Es ist nicht das gute Werk, das einen Menschen gut macht, sondern der gute Mensch, der ein gutes Werk tut.« [19] Das ist wahrscheinlich der Grund, warum ein Samurai seinen Verhaltenskodex, so empfiehlt es das Bushidō, täglich durch eine meditative Kunstform wie die Teezeremonie oder das Schreiben eines Haikus ergänzen sollte. Durch meditative Praktiken erkundet man den eigenen Geist, und man kann kein guter Mensch werden, bevor man nicht erkennt, wie böse man ist. Erst wenn einem das Böse bewusst wird, kann man etwas dagegen ausrichten. Die Folterer der Inquisition dachten, sie täten Gutes.
Der Dichter William Butler Yeats schrieb: »Alles zerfällt, doch baut man weiter / Und wer von neuem baut, ist heiter.« [20] Was er nicht sagt, ist, dass die Zerstörer ebenfalls ihren Spaß haben.
Selbstüberhöhung durch Gewalt. Ich habe es selbst erfahren. Aus irgendeinem Grund ist der Vorfall, an den ich mich dabei vor allem erinnere, kaum erzählenswert, vielleicht, weil er so banal ist. Dennoch erinnere ich mich an ein Gefühl gottgleicher Größe, wie ich es in dieser Situation empfand, lebhafter als im Zusammenhang mit allen anderen, weit
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