Was es heißt, in den Krieg zu ziehen
beenden, aber er betrauerte die schrecklichen Kosten. Ich persönlich würde die Trauer immer der Schuld vorziehen.
Oberflächlich betrachtet scheint uns Campbells und Krischnas Antwort, dass wir in einer Welt der Dualität handeln, in die wir nicht freiwillig hineingeboren werden, moralisch zu entlasten. »Nun«, mag man sagen, »wenn es am Ende alles ein kosmisches Spielchen und reine Glückssache ist, auf welcher Seite wir kämpfen, was mache ich mir dann noch Gedanken?« Wenn man die Antwort der beiden jedoch richtig versteht, wird man nicht per se moralisch entlastet, sondern sich seiner Position bewusst. Sollte man es bis dahin nicht so klar gesehen haben, dann jetzt. Und das schmerzt. Man wird sich bewusst, dass man eine Wahl über das Töten seines Gegenübers trifft, und aus dieser Wahl kann man sich nicht hinausstehlen. Auch wer sich weigert, zu genau darüber nachzudenken, entscheidet sich für etwas. Man muss sich entscheiden, ob man etwas mit edlem Herzen tun will oder nicht. Auch nichts zu tun ist eine Handlung. Man kommt da nicht heraus.
Ich weiß nicht, ob George W. Bush mit edlem Herzen in den Krieg gezogen ist. Das weiß allein er selbst. Ich weiß nur, dass er wusste, was wir alle wussten, dass nämlich ein Wahnsinniger mit viel Macht und viel Geld Tausende Amerikaner töten konnte. Und er wusste wie wir von den Folterungen und Vergewaltigungen, und er musste entscheiden, ob er Folter, Vergewaltigung und schreckliche Morde einfach so durchgehen lassen wollte. Was immer seine wahren Motive gewesen sein mögen, klar ist, dass der Präsident sich zu tun entschloss, was die Vereinten Nationen nicht tun wollten. Die UN -Diplomaten sahen sich dem gleichen Problem gegenüber, das er wie wir alle hatten, und ich kann nur hoffen, dass es alle ernst genommen haben.
Ich weiß, dass mehr als zwanzig Menschen infolge meines persönlichen Verhaltens zu Tode gekommen sind, aber die Menschen, die sie ihrerseits umgebracht haben, sind ebenfalls tot. Zu sagen, dass ich recht hatte und nicht sie oder umgekehrt, gibt mir kein besseres Gefühl, genauso wenig wie ihren Müttern und Schwestern oder den Müttern und Schwestern derer, die
sie
umgebracht haben. Ich verstehe, warum Jesus gesagt hat: »Lass die Toten ihre Toten begraben.« [14] Es sind die zukünftigen Tötungen, und wir können nur mit unseren edlen oder unedlen Motiven ringen, um ehrlich sein zu können, wenn es um Leben und Tod geht.
Im göttlichen Spiel der Gegensätze weiß der Krieger nur eines sicher, nämlich dass er sich für eine Seite zu entscheiden hat. Ist diese Wahl getroffen, müssen die Handlungen dem gewidmet werden, was über die Welt der Gegensätze hinausgeht. Selbst wer neutral bleibt, verschafft der einen oder anderen Seite möglicherweise einen Vorteil, zum Beispiel, indem man humanitäre Hilfe zurückhält. Wenn man sich entscheidet, nicht zu helfen, beeinflusst man das Ergebnis. Jesus hat das sehr prägnant ausgedrückt: »Wer nicht für mich ist, der ist gegen mich.« [15]
Und wenn wir dann eine Seite gewählt haben, dürfen wir uns nicht als Ritter in glänzender Rüstung verstehen. Wie ich bereits gesagt habe, war ich einer der Unterstützer der Entscheidungen, in den Krieg zu ziehen, um Osama bin Laden zu töten oder gefangen zu nehmen und Saddam Hussein zu stürzen. Was mir Angst macht, ist die Haltung, mit der wir es getan haben. Und ich sage bewusst
wir.
Es gab auf beiden Seiten, auf jener der Kriegsbefürworter wie auf jener der Kriegsgegner, viel selbstgerechte Überheblichkeitsidiotie. Sich als Kreuzfahrer gegen das Böse zu fühlen, ob es nun um Saddam Hussein und seine Baath-Kumpane oder um George W. Bush und seine Öl-Kumpane geht, ist etwas ganz anderes, als das Böse widerstrebend und mit Trauer zu eliminieren, weil es eine eklige Aufgabe ist, die ein pflichtbewusster Mensch mitunter zu verrichten hat. Wenn ein Hund sich mit Tollwut ansteckt, ist das traurig, besonders für den Hund, dennoch muss er eingeschläfert werden. Den Hund einzuschläfern und deswegen im Fernsehen in Jubel auszubrechen, wäre falsch. Genauso falsch, wie den Arzt, der den Hund eingeschläfert hat, zu einem Tierhasser zu erklären und seinen Vorgarten zu besetzen. Sich als Ritter in glänzender Rüstung zu präsentieren, führt nur dazu, dass unsere unerkannten dunklen Seiten außer Kontrolle geraten. Donald Sandner formuliert es so: »Wenn ein Mann seine animalische Natur opfern soll, muss er auch alle göttlichen Anmaßungen opfern.«
Weitere Kostenlose Bücher