Was es heißt, in den Krieg zu ziehen
spektakuläreren Geschehnissen.
Ich hatte vorübergehend das Kommando über die Kompanie inne und musste einen meiner Züge erreichen, der eine wichtige Brücke der Route 9 in einem Gebiet hielt, das wir nicht kontrollierten. Die Brücke lag etwa zwölf Kilometer von unserer gegenwärtigen Position entfernt. Der Zug war in der vorhergehenden Nacht angegriffen worden, und ich als Kompaniechef musste hin, mich um die Moral kümmern und sehen, ob die Männer für einen weiteren Angriff ausreichend gerüstet waren. Ich konnte keinen Hubschrauber bekommen, und wegen der unsicheren Lage gab es auch keine Konvois, denen ich mich hätte anschließen können. Also entschloss ich mich, einen Jeep mit Munition vollzupacken, und nahm neben dem Fahrer noch einen Sergeant und einen Freiwilligen mit, die mir helfen sollten, mein Ziel zu erreichen.
Der Fahrer war der Sohn eines Colonels der Marines und gleich nach der Highschool nach Japan gegangen, um in einem Zen-Kloster die fernöstliche Kampfkunst zu erlernen. Nach einigen Jahren war er als einfacher Soldat in das Marine Corps eingetreten. Er war ein strenger Anhänger des Zen und kannte sich nicht nur in den technischen Aspekten der Kampfkunst, sondern auch deren spirituellen Grundlagen aus. So notierte er sich alle Fehler, die er tagsüber machte, und ging sie abends durch, um sie nicht noch einmal zu machen. Dabei handelte es sich um Dinge wie die Annahme, ein seltsam aussehender Stein auf dem Weg sei harmlos, ohne sicher zu wissen, dass es sich nicht um eine Mine handelte. Der Sergeant war Berufssoldat, einer der Männer, die die Marines so erfolgreich bei der Erfüllung ihrer Aufgaben machen, einer, der schon einiges hinter sich hatte und im Leben wie im Kampf bis an die Grenzen ging. Er kam mit einem M 60 -Maschinengewehr, das wir hinten auf den Jeep bauten, seinem eigenen M 14 (er mochte kein M 16 er im offenen Gelände) [21] , einigen Dutzend LAAWS , leichten Panzerabwehrwaffen, sowie kleinen Panzerfäusten und so viel Munition, wie wir noch zuladen konnten. Der andere Marine, ein neunzehnjähriger Truppführer, der sich seit etwa zehn Monaten im Land befand, war wie ich kompetent und erfahren. Ich war mittlerweile besonders gut darin, Artilleriefeuer zu Hilfe zu rufen, und versicherte mich, mit allen Artilleriestellungen in unserer Reichweite in Verbindung zu stehen: einer Batterie der Marines mit 105 -mm-Haubitzen direkt nördlich von Camp Carroll und zwei Armee-Batterien, einer, die 155 er abfeuerte, und einer mit weiter reichenden 175 ern auf der LZ Stud, einem ehemaligen Flugfeld und Hubschrauberlandeplatz.
Wir verließen unsere befestigte Stellung, die Waffen schussbereit und die Augen auf die jeweils zugeteilten Beobachtungssektoren gerichtet, und während wir den staubigen Weg entlang der Gefahr entgegenrasten, erfüllte mich ein ungeheures Gefühl von Macht. Es war, als führe ich in einem göttlichen Streitwagen. Wir waren bewaffnet, und wir waren
gut.
Ich
wollte
fast schon, dass uns einer zu stoppen versuchte, um zu sehen, wie übel wir ihn zurichten würden.
Glücklicherweise erreichten wir die Brücke ohne Zwischenfall.
Ich bitte den Leser, der solch ein Gefühl nie empfunden hat, sich alle Mühe zu geben, es nachzuvollziehen und den Kriegsgefühlen gegenüberzustellen, die von einer moralischen Gesellschaft für legitim gehalten werden, zum Beispiel dem Grauen. Ich bin mir des Preises sehr bewusst, der für diese Art von Selbstüberhöhung zu zahlen ist – es geht um tote Freunde, tote Feinde, es geht um Verlust, Schmerz, Trauer und Leid in einem unvorstellbaren Ausmaß, auch nach vierzig Jahren noch, ohne absehbares Ende. Um mich selbst an das Leiden zu erinnern und es gegen das Gefühl der übermäßigen Macht zu stellen, bewahre ich oben auf meinem Aktenschrank das Bild eines vierzehnjährigen Mädchens aus Mosambik auf, völlig abgemagert und mit vorspringenden Knochen, grauem Haar und fast zugeschwollenen Augen. Das ist der Hungerlohn des Krieges.
Es ist jedoch sehr schwer, dieses Bild vor Augen zu behalten, selbst unter größtem gesellschaftlichem Druck und wenn man es mit allem moralischen Gewicht beschwert. Das Reich, das ich hier betrete, das Reich der Selbstüberhöhung durch Gewalt, ist eines, das die Gesellschaft verdammt und doch fortwährend feiert, ob in Film und Fernsehen oder in Nachrichtensendungen, und es liegt an dieser Schizophrenie, dass diese Gefühle so gefährlich sind. Es ist wie bei der bösen Zauberin, die nicht zur
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