Was es heißt, in den Krieg zu ziehen
flog nach Europa und in den Fernen Osten. Oberflächlich betrachtet war es wie in einer Rolex-Reklame, aber etwas fehlte.
Eines Abends nach einer Dinnerparty in Singapur zog ich mich mit den Männern zurück, Männer, die ich wegen all der Unternehmensanhöhen, die sie angegriffen und eingenommen haben, immer noch respektiere. Wir redeten über Dinge, die uns zu der Zeit wichtig waren. Maggie Thatcher machte dies, Lee Kuan Yew das. Mit der Deutschen Mark ging es so und so. Wir beantworteten dies und beantworteten das, alle waren intelligent, verantwortungsbewusst und besaßen einigen Einfluss.
Da zog Lachen von der anderen Seite des Raumes meine Aufmerksamkeit auf sich. Ich drehte mich um und sah, dass sich einige Ehefrauen um die Gastgeberin am Ende des großen Esstisches geschart hatten. Die Farben sprangen mich an, die mauve- und fuchsienfarbenen Saris der beiden Inderinnen, das Grün des Seidenkleides einer Chinesin, die mit angeregter Miene einer Französin lauschte, deren Hände Lichtblitze auszusenden schienen, während sie sprach. Ich sah zurück zu den Männern um mich herum, mächtigen, erfolgreichen, aber blutleeren Menschen.
Die ersten Hinweise sind dezent. Ignoriere sie, und die Lautstärke wird wieder höher gedreht, manchmal schmerzvoll laut, manchmal bis zu dem Punkt, an dem dein Hörsinn zerstört wird. Nach dieser Party war ich etwa ein Jahr lang ständig unterwegs. Als ich eines Nachts gegen zwei Uhr morgens aus Indonesien zurückkam, fand ich meinen zehnjährigen Sohn mit einem Foto von mir an die Brust gedrückt schlafend in seinem Bett vor. Auf dem Foto lachte ich und hielt ihn hoch über den Kopf, gerade neun Monate war er da alt gewesen. Jetzt hatte er mit einem Kugelschreiber mein Gesicht aus dem Foto gestochen.
Wer seine Schattenseiten nicht erkennt, wird wahrscheinlich einigen Schaden anrichten, während er mit seinen Heldentaten beschäftigt ist. Wie oft hören wir von engagierten Politikern, von für das Gemeinwohl engagierten Menschen, von Leitern von Wohltätigkeitsorganisationen, die ihre Familien ruinieren. Meine eigene Großmutter war eine idealistische Kommunistin, Mitglied der internationalen Basisgewerkschaft IWW und Arbeiter-Aktivistin. Die längste Zeit, die sie je mit meiner Mutter zusammen war, betrug etwa vier Monate. Meine Mutter hat ihr ganzes Leben unter den Folgen dieser Vernachlässigung gelitten. Ich habe meine Großmutter dafür verurteilt und fand dann eines Tages heraus, dass ihre Mutter, also meine Urgroßmutter, damals noch in Finnland eine berühmte Hebamme gewesen war. Auch sie war ständig unterwegs gewesen, und wenn sie zwischendurch mal nach Haus kam, war sie gereizt, schimpfte und schlug ihre Kinder, aus Erschöpfung und Frustration. Aber ganz gleich, wie müde sie war und wie sehr ihre Kinder sie brauchten, machte sie sich erneut auf, sobald es einen schwierigen Fall gab, der nicht mehr als ein paar Tagesreisen entfernt war. Am Ende ging meine Großmutter mit ihren Geschwistern nach Amerika. Meine Urgroßmutter sah ihre Kinder nie wieder.
War meine Urgroßmutter eine Heldin, oder lief sie nur auf Kosten ihrer Kinder vor ihrer Langeweile davon? Beides trifft wohl zu, auch auf ihre Tochter, die es genauso mit meiner Mutter machte. Zum Glück für meinen Bruder und mich versuchte Mutter, das Muster bewusst zu durchbrechen. Dennoch unterwerfe auch ich mich drei Generationen später gelegentlich noch dem Nachhall jenes ursprünglichen Musters und vernachlässige die, die mir nahestehen, um unter dem Deckmantel, Gutes für die Welt zu tun, meine Wichtigkeit zu beweisen.
Natürlich kann ein unerkannter Schatten auch den verfolgen, der zu Hause bleibt, um sich um seine Kinder zu kümmern. Ich kannte ein Paar, das entsetzt war über den Vietnamkrieg und sich in der Friedensbewegung engagierte. Die beiden beschlossen, ihre Kinder ohne Waffen oder irgendeine Form von Gewalt aufzuziehen, Gewalt im Fernsehen oder in Filmen, und die Kinder bekamen auch keine Bücher, in denen derlei vorkam. Schon den Finger auf jemanden zu richten und »Peng!« zu sagen, ging zu weit. Freunde, die so etwas taten, wurden nicht mehr eingeladen.
Eines Nachmittags ertappte ein gemeinsamer Freund die beiden Kinder dabei, wie sie hinten im Garten Insekten quälten. Nicht eines, auch nicht jeder eines, sondern gleich eine ganze Reihe, die sie säuberlich mit Nadeln auf ein Brett gepinnt hatten, wo sie darauf warten mussten, an die Reihe zu kommen.
Je mehr wir den Schattenkrieger in uns
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