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Was es heißt, in den Krieg zu ziehen

Was es heißt, in den Krieg zu ziehen

Titel: Was es heißt, in den Krieg zu ziehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Marlantes
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Hügel wurde Canada schwer verwundet, als er eine Reihe Bunker und Kampflöcher zu durchbrechen versuchte. Die Sanitäter schafften ihn in einen Granatkrater und gaben ihm eine Infusion [38] , um ihn vor einem Schock zu schützen, als von vorn die Nachricht kam, eine zentrale Maschinengewehrstellung habe seinen Zug gestoppt. Der ganze Angriff kam ins Stocken, und es drohte ein schweres Durcheinander. Canada riss die Schläuche aus den Plasmaflaschen, packte das Maschinengewehr eines anderen Verwundeten und lief den Hang hinauf. Er feuerte mit dem Maschinengewehr, während ihm die Schläuche noch im Arm hingen, und tötete die Mannschaft in der fraglichen Maschinengewehrstellung. Sein Ein-Mann-Vorstoß schaffte den wesentlichen Durchbruch. Die Kompanie nahm den Hügel ein.
    Als er uns diesen Sieg schenkte, wurde Canada jedoch noch mehrfach getroffen. Zwar starb er nicht auf der Stelle, aber die Verletzungen waren selbst für seinen bemerkenswerten Körper zu groß. Die Sanitäter konnten ihn nicht retten. Etwa zehn Minuten nachdem der Hügel eingenommen worden war, hörte sein Herz auf zu schlagen. Die Sanitäter informierten den Kompaniechef über Funk von Canadas Tod. Mein Funker auf unserem Hügel wandte sich voller Wut im Gesicht zu mir um und sagte: »Der große C. ist tot.« Später hörte ich, dass genau diese Nachricht »Der große C. ist tot« durchs ganze Regiment gegangen war.
    Wir haben immer noch Helden, und wie beim Tod Hectors verlangte auch Canadas Ende nach Rache. Hector, der Trojaner, tötete den besten Freund des griechischen Helden Achilles, der später Hector tötete, ihn aus Rache an seinen Kampfwagen band und um Trojas Mauern zog. Er entstellte und verstümmelte den Leichnam vor den Augen von Hectors Verwandten und Freunden. Wegen dieser entehrenden Behandlung Hectors dürsteten wiederum die Trojaner nach Rache. Canada war jedoch keinesfalls entehrt worden. Niemand hatte ihn an den Füßen um Trojas Mauern gezogen. Er war ehrenhaft gestorben, so ehrenhaft, wie man es sich in einem Krieg nur vorstellen kann. [39] Uns Überlebenden wurde sein Tod jedoch zu einem weiteren Grund, es
denen
heimzuzahlen, Rache zu nehmen für eine, wie sich herausstellte, besonders schwere und verlustreiche Lage.
    Die Nordvietnamesen starteten einen Gegenangriff mit 82 -mm-Mörsern, von vier verschiedenen Stellungen aus. Die Kompanie wurde gleichzeitig an zwei Orten angegriffen: meine kleine Gruppe auf der ersten Anhöhe, die die Verwundeten schützen sollte, und der Rest der Kompanie auf dem zweiten, gerade eingenommenen Hügel. Nachdem wir zusammengeschossen worden waren, hatte ich nicht mehr genug unverletzte Leute, um die Toten und Verwundeten auf den neuen Hügel zu bringen, und dem Rest der Kompanie fehlten die Leute, um die Grenzen des zweiten Hügels zu verteidigen. Der Chef entschied, den zweiten Hügel wieder aufzugeben und die Kräfte mit meiner Gruppe zu verbinden.
    In einer der mutigsten Evakuierungsoperationen, die ich je miterlebt habe, gelang es, die Toten und Schwerverwundeten vom zweiten Hügel auszufliegen, bevor wir ihn aufgeben mussten. CH - 46 er mit Zwillingsrotoren der Marine Air Group 29 kämpften sich direkt über den Baumwipfeln den Hang hinauf, weil die Wolkendecke so dicht und niedrig war, dass sie den Hügel sonst nicht gefunden hätten. Dabei trotzten sie nicht nur der Gefahr, in einen Berghang hineinzufliegen, sondern gerieten zudem unter heftigen Beschuss aus kleinen, automatischen Waffen, und sie wussten, wenn sie die Spitze des Hügels erreichten, würde man sie mit Granaten eindecken. Aus meiner Position sah ich, wenn ich zwischen den Granateneinschlägen schnell aufsah, wie der Funker des ersten Zuges, ein Junge, der Truppführer gewesen war, als ich den Zug unter mir gehabt hatte, ohne jeden Schutz oben auf dem Hügel stand und die Vögel herbeidirigierte, während um ihn herum Granaten einschlugen. Er hatte die Aufgabe von seinem Lieutenant übernommen, der von einer früheren Granate getroffen worden war. Ich konnte sehen, wie die Marines die Toten und Verwundeten aus ihren Löchern zu den wartenden Hubschraubern trugen. Meine lebendigste Erinnerung ist der Anblick der dunklen Gestalt eines Marine, der aus der sich schließenden Heckklappe eines bereits wieder gestarteten Hubschraubers zu fallen schien. Wie ich später erfuhr, war es einer meiner alten Truppführer, der seinen schwer verwundeten Zugführer an Bord gehievt hatte, als der Hubschrauberpilot den CH - 46 bereits

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