Was es heißt, in den Krieg zu ziehen
Canada«. Nach dem Beschluss ging es nur noch um die Ausführung des Urteils. Jemand musste es tun.
Angesichts dessen, wie ich meinen Maschinengewehrschützen behandelt hatte, werden Sie sich vorstellen können, in was für einer Verfassung ich war, wenn ich einen der Feinde aufstehen sah, um sich zu ergeben. Unser Vorgehen war ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, dass es unausgewogen und ungesund sein kann, wenn man nur der Logik und dem Verstand folgt. Logik ohne Mitgefühl. Wenn auch nur zu einem Zehntelprozent die Möglichkeit bestand, dass einer der NVA -Soldaten bluffte und aufstand, um besser zielen zu können, hätte ein völlig logischer Computer in meiner Mission gefragt: »Was riskiere ich, und was wird es kosten, wenn ich die Gewinnchancen in dieser Situation von 99 , 9 Prozent auf 100 Prozent zu meinen Gunsten steigern will? Es gibt kein Risiko? Nur den Energieaufwand, den Abzug zu drücken, und die Kosten für die paar Kugeln? Da ist die Entscheidung leicht. Schieße.« Was ich tat. Wenn ich sie im Übrigen tötete, bevor sie die Möglichkeit hatten, ihren Wunsch nach Aufgabe zu demonstrieren, indem sie ein weißes Tuch schwenkten oder sonst etwas taten, musste ich keine schwierige moralische Entscheidung fällen, die mein Leben in Gefahr hätte bringen können. Hier war der rein logische Verstand eines Menschen am Werk, der
absolut alles
dafür tat, den Kampf zu gewinnen, und alle Gefühle ausblendete, die ihm dabei in die Quere kommen konnten.
Indem ich später immer wieder die Fiktion aufschrieb, dass ich drei Männer getötet hatte, die sich ergeben wollten, übernahm ich in gewisser Weise die Gesamtverantwortung, um meine Kameraden von ihrer Verantwortung zu entbinden. Ich hatte schließlich meine Zustimmung gegeben. Ich hatte ein schlechtes Gewissen. Zum Teil aber scheint mein Wunsch, die Verantwortung zu übernehmen, auch aus einem Bedürfnis nach Selbstüberhöhung herzurühren. Selbstüberhöhung? Indem ich meinen Feinden verwehrte, sich zu ergeben, und sie tötete? Wie lässt sich das erklären?
Zunächst einmal ändern sich im Gefecht die Kriterien dafür, was gut ist. In der Welt Vietnams galt es als ganz und gar nicht
böse,
drei Schlitzaugen niederzuschießen, die aus ihren Löchern aufstanden, und wenn ich Geschichten aus Vietnam aufschreibe, bin ich wieder dort. Tatsächlich wuchs das Ansehen in der Gemeinschaft, je
böser
man war, solange das Bösesein nicht die Kameraden betraf. Es gab einen Spruch, den man oft auf Splitterschutzwesten geschrieben sah: »Yeah, ich fürchte kein Unheil, auch wenn ich durch das Tal des Todes gehe. Denn ich bin die mieseste Drecksau hier.«
Im Übrigen werden wir schon von frühester Kindheit an auf subtile Weise von unserer Gesellschaft darauf vorbereitet, diesen Wechsel in dem, was für gut und was für böse gehalten wird, zu akzeptieren. Gesunde Kinder rebellieren in der Pubertät gegen ihre Abhängigkeit. In meiner Jugend taten sich Jungen öfter dadurch hervor,
böse
zu sein. Mädchen wurden nicht dazu ermutigt, Mädchen waren
gut.
Wer also beweisen wollte, dass er kein Mädchen war, nun, der hatte
böse
zu sein, und so wuchsen viele von uns mit einer ziemlich widersprüchlichen Botschaft auf.
Fügen wir dieser frühen Konditionierung noch die Tatsache hinzu, dass totale Aggression im Gefecht unser Leben rettet. Wer wirklich durch das Tal des Todes geht, der wird in der Tat versuchen, die mieseste Drecksau zu sein, um sich zu retten. Und dazu kommt dann, dass ein derartiges Verhalten vielen Männern zu einer männlichen Identität verhilft und ein Bedürfnis nach Wertschätzung erfüllt, was zusammen mit dem Umstand, dass es uns im Krieg zu überleben hilft, eine sehr starke Motivation dafür ergibt, das sogenannte Böse zu tun. Das Böse oder Schlechte ist sehr gewöhnlich. Es findet sich oft schon in kleinen und alltäglichen Dingen, zum Beispiel darin, aus Müdigkeit das Gestell des Mörsers nicht genau genug zu inspizieren, seine Plastikabfälle nicht zu recyceln oder die Kinder Junkfood essen zu lassen, das ihrer Gesundheit schadet, weil Arbeit und Freizeitvergnügungen wichtiger sind, als ihnen zu Hause etwas Vernünftiges zu kochen. Seinem Entsetzen über die Gewalt im Fernsehen keinen Ausdruck zu geben. Grausamkeit ist im Krieg so alltäglich und normal wie in der Kindererziehung.
Als ich zum ersten Mal schrieb: »Ich war in einer anderen Geistesverfassung und schoss sie nieder«, brach sich nach all den Jahren ein langer
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