Was es heißt, in den Krieg zu ziehen
uns bei unserem Angriff von hinten unter Feuer genommen hätte.
Semper fi.
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Unser Angriff geriet ins Stocken, als wir aus den Bunkern unter Maschinengewehrfeuer genommen wurden. Die Leute warfen sich hinter umgestürzte Baumstämme und in Granaten- und Bombenkrater. Mir war völlig klar, dass wir, wenn wir um die Bunker mit den Maschinengewehren nicht herumkamen, den Hügel niemals einnehmen konnten. Zudem würden wir bei dem Versuch, uns zurückzuziehen, schreckliche Verluste erleiden, nicht anders, als wenn wir weiter vordrangen. Genau deshalb waren alle in Deckung gegangen. Dem gesamten Zug war das klar.
Ich sah, dass einer meiner Maschinengewehrschützen, ein junger Mann, der erst vor Kurzem eingetroffen war, verletzt worden war. Sein rechtes Hosenbein war schwarz von Blut und klebte nass an seiner Wade. Aber ich brauchte ein Maschinengewehr. Es musste eines der feindlichen Maschinengewehre so lange unter Feuer halten, dass ich ein paar Trupps um den Bunker herummanövrieren und ihn von hinten angreifen konnte. Ich schrie dem Mann zu, zu mir heraufzukommen. Er begann, in meine Richtung zu kriechen, und zog das verwundete Bein hinter sich her. Ich sah das Blut über seinen Stiefel fließen, schwarze Flecken blieben auf der Erde zurück, während er sich zu mir hochschob. Ich weiß noch, dass ich ihn anschrie,
weil er nicht schnell genug kroch.
Mir war in dem Moment egal, wie er sich fühlte, ob er Schmerzen hatte, verängstigt war, mir ging es allein um seine Funktion. Ich musste dieses feindliche Maschinengewehr unter Feuer nehmen, oder ich würde meinen Job nicht lebend und mit einem Minimum an Verlusten erledigen können.
Der Maschinengewehrschütze war ein großer, magerer schwarzer Junge, der aus nichts als Ellbogen, Knien und cooler Anmut bestand. Er hätte einen Basketball auch vor großem Publikum perfekt zwischen den Beinen tanzen lassen können. Es war sein erstes Gefecht. Nachdem ich ihn in Stellung gebracht hatte, sah ich kurz zu, wie er seine Kugeln in kurzen, kontrollierten Salven auf sein Ziel feuerte, genau wie er es gelernt hatte. Während er das tat, pumpte das Blut aus seiner Beinwunde ins Erdreich.
Heute denke ich an alle möglichen Dinge und habe die unterschiedlichsten Empfindungen. Damals war ich nur froh, dass er ein fähiger Schütze war und in Camp Pendleton Gott sei Dank anständig ausgebildet worden war. Wir waren immer knapp dran mit Maschinengewehrmunition, wenn wir uns nach einem Gefecht in Gegenschlägen wehren mussten, und im Übrigen ließen lange Salven den Lauf des Gewehrs zu heiß werden.
Ich ließ ihn dort zurück, allein, beharkt von den Kugeln des feindlichen Maschinengewehrs. Die beiden Schützen konzentrierten sich aufeinander, unserer pumpte Blut und Kugeln und gab mir Zeit, mir zu überlegen, wie ich schreiend die Einnahme des Bunkers direkt vor uns organisieren konnte. Gleichzeitig war ich mit den Gedanken schon dabei, was wir anschließend tun würden …
Als ich dreißig Jahre später diesen Angriff zu beschreiben versuchte, formulierte ich wie unter Zwang immer wieder:
Dann standen drei
NVA
-Soldaten aus ihrem Loch auf. Ich war in einer anderen Geistesverfassung und schoss sie einfach nieder.
Aber das war eine Lüge. Ich tat nichts dergleichen. Und doch behielt ich in verschiedenen Versionen des Manuskripts dieses fiktionale Ende bei, als wäre es so gewesen. Etwas in mir wollte, dass ich es so ließ. Erst in einer späteren Version warf ich das Ende hinaus und schrieb, wie es wirklich gewesen war. Was um alles in der Welt ging da vor?
Was tatsächlich geschehen war und was ich weglassen wollte, war, dass der ganze Zug einen Kampf ohne Schonung des Feindes führte, den ich vorbereitet und geplant hatte. Ein Kampf ohne Schonung ist ein Kampf bis zum Tod, bei dem niemand aufgeben oder davonlaufen darf. Jeder auf der Verliererseite wird getötet. Ich brachte, nicht ganz allein, drei Soldaten um. Wäre das jedoch schon alles gewesen, hätte ich nicht nur ein bisschen Kriegerruhm für einen Hattrick erworben, sondern würde, was viel wichtiger ist, nicht zugeben müssen, dass die Tötungen, die auf Canadas Tod folgten, ein weit größeres persönliches moralisches Versagen darstellten, als ich zugeben wollte. Viel mehr als diese drei wurden getötet, und den meisten hätten wir, im Nachhinein betrachtet, erlauben können, sich zu ergeben oder sich zurückzuziehen. Aber wir hatten beschlossen, sie zu töten. Sie verdienten es. Wir wollten »Gerechtigkeit für
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