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Was es heißt, in den Krieg zu ziehen

Was es heißt, in den Krieg zu ziehen

Titel: Was es heißt, in den Krieg zu ziehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Marlantes
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übernahm die Führung des Trupps. Sie zogen sich mit den beiden Toten in die Sicherheit des Dschungels zurück.
    Der Trupp kam zurück, als alles vorbei war. Ich war so erschöpft, und es war so dunkel durch den Rauch des Napalms und die schweren Wolken, dass ich die Szene in meiner Erinnerung immer so sehe, als sei es kurz vor Sonnenuntergang gewesen. Dabei war es um acht oder neun Uhr morgens. Ich sah P-Dog müde an den zerschossenen Löchern, Bunkern und Leichen vorbeigehen. Isle hing über seiner Schulter. Als er mich erreichte, sah er mich nur tieftraurig an und warf mir Isles Körper vor die Füße.
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
    Ein anderer Junge kam mit Tennessee über der Schulter und warf ihn neben Isle.
    Ich fragte P-Dog, was geschehen sei. Er sagte es mir.
    Als P-Dog ging, durchsuchte ich Isles und Tennessees Taschen. Isle trug einen Brief seiner Mutter bei sich: »Sorge Dich nicht, Chip, in gerade mal siebzehn Tagen kommst Du nach Hause.« Ich hatte nicht gewusst, dass sie ihn zu Hause Chip genannt hatten.
     
    Eine Woche bevor er nach Hause zurückkehren sollte, beging mein Freund Mike ein wirkliches »Rotglut«-Gräuel, wie sie in der Presse für Entsetzen sorgten. Mike war ein guter, beständiger, kampferfahrener Lance Corporal meiner Kompanie, der gegen Ende seiner Zeit in Vietnam einem CAG -Trupp [42]
    zugeteilt wurde. Nach mehr als einem Jahr in Vietnam hatte er an vielen Gefechten teilgenommen und etliche Freunde verloren. Mikes Trupp sollte ein kleines Dorf schützen und fing eines Tages einen Vietcong-Kämpfer in der Nähe eines Dorfes, wo er eine Woche zuvor mehrere Freunde durch Landminen verloren hatte. Der Gefangene war in Mikes Alter, achtzehn, vielleicht auch zwanzig Jahre alt. Bei seiner Gefangennahme war er mit Landminen bepackt, und es bestand kein Zweifel daran, was er und seine Einheit taten. Wenn man direkt auf so eine Mine tritt, tötet einen die Explosion oft, indem sie sich zwischen den Beinen entlädt. Die Überlebenden müssen dann nach den einzelnen Teilen suchen und dafür sorgen, dass sie in den Poncho mit dem Rest des Körpers geworfen werden, sodass alles zusammen an einem Ort begraben werden kann.
    Mike entschied sich, den Gefangenen nicht wie gewohnt dem südvietnamesischen Militär zu übergeben, das nicht gerade als Vorbild gelten konnte, wenn es um die Menschenrechte ging, sondern ihn selbst zu verhören. Der erklärte Zweck dieser sogenannten Befragung bestand darin, herauszufinden, wo sich die Einheit des Gefangenen befand, wo sie Sprengfallen einrichteten und vielleicht auch Hinterhalte legten. So sollten Mikes Trupp weitere Verluste erspart bleiben. Aber wie Mike später selbst sagte: »Ich bin einfach durchgedreht. Ich platzte vor Wut.«
    Mike »verhörte« den Jungen einen Tag lang und schlug ihn, bis er nicht mehr konnte. Dann ruhte er sich etwas aus, kochte erneut über, und es ging von vorn los. Mit Mikes Worten ausgedrückt: »Ich habe ihn zu Brei geschlagen.« Er hängte den Jungen kopfüber an einen Flaggenmast und zog ihn so hoch, dass das ganze Dorf ihn sehen konnte. »Ich wollte dem Dorf zeigen, was Marines mit den Vietcong machten, die Marines töteten.«
    Eine amerikanische Armee-Einheit entdeckte den Jungen und nahm sich seiner an. Zum Glück, für beide, lebte er noch. Mike kam vor ein Militärgericht, wurde zum Gefreiten degradiert und unehrenhaft entlassen. Er musste mit der Tatsache leben, dass er nach Monaten ehrenhaften, schwersten Dienstes durchgedreht war. Es war eine traurige Rückkehr nach Amerika.
    Mike hat heute eine Frau, Kinder und einen festen Job im oberen Management eines großen Unternehmens. Als er mir und einer kleinen Gruppe Veteranen seine Geschichte erzählte, flatterten seine Augen zwischen uns und dem Boden hin und her. Ich konnte sehen, wie verzweifelt er uns begreiflich zu machen versuchte, auf welch brutale, schreckliche Weise seine Freunde zu Tode gekommen waren und in welcher Verfassung er sich deswegen befunden hatte. Ich sah seine Nervosität, ja Angst davor, durch sein Geständnis unsere Achtung zu verlieren. Dass er uns diese Geschichte erzählte, zeugte von seiner grundsätzlichen Integrität. Wir verdammten Mike nicht, aber viele von uns, die gedacht hatten, schon alles gesehen und gehört zu haben, waren schockiert.
    Sein Handeln verfolgt Mike noch immer. Er hat es getan. Es ist geschehen.
    Ich erforsche meine Seele, ob ich das, was Mike getan hat, ebenfalls hätte tun können – oder Schlimmeres. Ich

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