Was fühlt mein Hund, Was denkt mein Hund
Verhalten wird belohnt. Im nächsten Schritt verkürzt man dann langsam den Abstand zum »gefürchteten Objekt« beziehungsweise konfrontiert den Hund mit denselben Ereignissen in stärkerer Form. Bei jedem Zeichen der Angst oder Unsicherheit kehrt man wieder zur vorherigen Stufe zurück, bis es irgendwann klappt. Wie lange es dauert, bis sich Erfolge einstellen, ist wegen der individuellen Erfahrungen von Hund zu Hund unterschiedlich. Im Schnitt müssen Sie mit drei bis vier Monaten rechnen.
Ein erfahrener Hundehalter kann so ein Desensibilisierungstraining selbst durchführen, sofern er sich strikt an die Vorgehensweise hält. Alle anderen sollten sich besser an einen erfahrenen Therapeuten wenden. Davon gibt es meiner Meinung nach jedoch leider ganz wenige. Ich schließe mich eher der Ethologin Dorit Feddersen-Petersen an, die einmal sinngemäß völlig berechtigt anmerkte: »Verhaltenstherapie ist ein schwieriger Begriff, da er impliziert, was er nicht halten kann.«
Ein neugieriger Hund findet immer etwas, was sein Interesse weckt. Er hat einfach Spaß am Entdecken.
Trotzdem: Typ bleibt Typ
Zu guter Letzt bin ich noch eine Antwort auf die Frage schuldig, ob sich der Grundcharakter eines Hundes verändern lässt. Sie lautet eindeutig: Nein! Auf Dauer bleibt eine extrovertierte Verhaltensausrichtung genauso bestehen wie eine introvertierte.
Da beißt die Maus keinen Faden ab.
Wie man sich gegenüber der Damenwelt zielgerichtet beziehungsweise möglichst erfolgreich als Charmeur präsentiert, das können unsere lieben Rüden allerdings prima lernen. Biologisch definiert heißt das dann »Werbeverhalten«. Man munkelt, es gebe auch Männer, die das besser könnten als andere. Das eigentlich Faszinierende daran finde ich, wie sehr sich das Säugetier Mensch und das Säugetier Hund doch gleichen.
Wie groß ist unser Einfluss auf Hunde tatsächlich?
NINA RUGE: Auf einem Bauernhof in der Schweiz habe ich eine Entlebucher-Hündin kennengelernt, die Lupo wirklich zum Verwechseln ähnlich sieht: Frieda. Es stellte sich heraus, dass beide dieselbe Mutter haben; Frieda kam rund eineinhalb Jahre nach Lupo zur Welt. Ich war begeistert.
Doch auch wenn die beiden sich gleichen wie ein Ei dem anderen, unterscheidet sich Frieda in einem deutlich von Lupo: Sie ist ein echter Hofhund. Sie darf nicht ins Haus und schläft auch nur draußen. Tagsüber stromert sie in der Gegend herum; die Kleine ist eine echte Abenteuerin. Sie hängt zwar an ihren Besitzern – einer jungen Familie mit zwei Kindern – und freut sich riesig, wenn die vier nach Hause kommen. Doch eine echte Bindung scheint sie nicht zu ihnen aufgebaut zu haben. Manchmal hört Frieda auf ihren Namen und verbringt gerne auch einmal Zeit mit ihren Menschen.
Aber dann ist sie wieder weg. Nur abends kommt sie zuverlässig nach Hause, weil sie weiß, dass dort Futter und ein geschützter Schlafplatz in der Hundehütte auf sie warten.
Jeder Hund hat seine »Persönlichkeit«. Doch auf die haben wir großen Einfluss.
Warum ist Frieda nur so anders?
Wenn Lupo kam, war Frieda völlig aus dem Häuschen. Sie tobte mit ihm, spielte, raufte, knabberte und wälzte sich hingebungsvoll auf dem Boden herum. Sie hat also durchaus ein soziales, herzliches Wesen, das eben nur nicht domestiziert und auf gesunde Weise auf ihre Menschen geprägt ist: nicht zu eng. Als ich Lupo und Frieda gemeinsam erlebte, kam ich durchaus ins Grübeln. Die Geschwindigkeit, das Hakenschlagen, die Lust an der Bewegung, das Agile, Energiegeladene – das haben beide. Aha, dachte ich, das sind die Gene. Doch die enge Bindung an Menschen, die Kommunikation mit ihnen, das Bedürfnis, immer zusammen zu sein und (meist) das zu tun, was der Mensch von ihm will, die Sehnsucht, nachts bei ihm im Schlafzimmer zu liegen, das Bedürfnis nach Streicheleinheiten, Raufen und Kraulen, die Freude an gemeinsamen Spaziergängen oder Joggingrunden, das Aufpassen, dass alle auch immer zusammen sind: all das kennt Frieda nicht. Trotzdem scheint sie glücklich zu sein. Sie ist neugierig, aufgeweckt und rundum gesund.
Nähe und Zuneigung sind genauso wichtig wie ausreichend Futter oder ein sicherer Schlafplatz.
Ist Frieda genauso glücklich?
Natürlich: Wir haben Lupo auf große Nähe sozialisiert. Entsprechend oft sucht er Körperkontakt und die Kommunikation mit uns.
Nicht nur im Spiel, auch als »Wächter«.
Wenn ihm irgendetwas auffällt, das nicht in Ordnung sein könnte, wufft er ganz leise.
Zeigt mir, dass
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