Was fühlt mein Hund, Was denkt mein Hund
selbstbewusster, aber durchaus behutsamer Hund, der sich bemüht, nichts kaputt zu machen, dem »Rudel« immer nahe zu sein – der neugierig, aber nicht draufgängerisch ist.
Auch Vronis Kleinkindzeit glich einem Paradies. Sie wuchs beim Zuchtwart für Große Schweizer Sennenhunde im Schweizer Örtchen Melchnau auf. Ihre Mutter Lesley war eine erfahrene Mama. Vroni und ihre acht Geschwister hatten einen großartigen Spielplatz und Trekking-Parcours von rund 2000 Quadratmetern, auf denen sie in Kisten zwischen Dutzenden von Bällen herumkugeln, auf Brettern und Baumstämmen balancieren und durch Röhren krabbeln konnten. Man unternahm früh Ausflüge in den Wald, übte das Autofahren, besuchte Welpenspielstunden. Kurzum: Es war ein Eins-A-Startprogramm ins Leben. Der Züchter nahm seine Aufgabe so ernst, dass er mit Lesley und Vroni bis zu uns fuhr, um sich anzusehen, wie Vroni leben würde – und um den Abschied von der Mutter leichter zu gestalten. Dabei schien mir Lesley mehr zu leiden als Vroni, als sie sich trennten.
Nie wieder wird der Charakter eines Hundes so stark geprägt wie in den ersten Lebenswochen.
Macht Liebe so stark?
Vroni war so satt von Liebe und spannenden Erlebnissen und dermaßen neugierig aufs Leben, dass sie von einer Sekunde auf die nächste begann, ihr neues Zuhause zu erobern. Zunächst durchaus schüchtern und schreckhaft, doch das legte sich bald. Heute ist sie die Einzige, die sich die enge Wendeltreppe hinaufwagt. Sie springt über Bäche, steckt Lupos Eifersuchtsattacken mit stoischer Gelassenheit weg, lässt sich von ihm umstoßen und steht fröhlich wieder auf: Vroni hat eine ungewöhnlich starke Persönlichkeit entwickelt. Sie ist sehr selbstbewusst und lässt sich nicht leicht verunsichern.
Ist es tatsächlich so, dass Hunde ein besonders stabiles und robustes Seelenleben entwickeln, wenn die Hundemutter ungestört ihrem natürlichen Interesse an Fürsorge nachgehen kann und die Hundebabys vom Züchter oder Halter früh gefordert und gefördert werden?
GÜNTHER BLOCH: Soziales Lernen und Umwelt-Lernen von der Mutter ist für einen Welpen das Wichtigste überhaupt – und durch nichts zu ersetzen. Welpen von scheuen oder unsicheren Hündinnen neigen ihrerseits sehr zu starken Fluchttendenzen, zeigen gemeinsam im Geschwisterpulk oft panische Verhaltensreaktionen. Hingegen verhält sich der Nachwuchs von selbstsicher auftretenden Müttern insgesamt sozial und emotional stabiler. Er wirkt interessierter und ist aufgeschlossener für Neues, vor allen Dingen beim sozial-freundlichen Kennenlernen von Menschen und Artgenossen.
Denn von seiner souveränen Hundemutter lernt der Welpe in optimaler Art und Weise, Erfolg und Misserfolg zu verarbeiten, die typischen Eigenschaften aller Gruppen- und Beziehungspartner einzuschätzen und deren Persönlichkeitsstrukturen in sein eigenes Handeln einzubeziehen. Kurzum: Ein Welpe, dem eine »coole« Mutter mentale Ausgeglichenheit, soziale Sicherheit und Offenheit vorlebt, entwickelt sich erkundungsfreudiger, untersucht mehr und lernt mehr als andere.
Beim Spiel mit Artgenossen lernen Welpen am besten, wie man sich in der Gruppe verhält.
Welpen müssen Regeln lernen
Ein formal ranghohes Tier, wie es auch eine Hundemutter ist, hat garantiert andere Vorstellungen von denjenigen »Benimmregeln«, die es im Alltagsleben unbedingt einzuhalten gilt, als ihre Welpen. Und so »kracht« es schon einmal und die Welpen »schreien«, was das Zeug hält. Doch die viel gerühmten Abbruchsignale, wie zum Beispiel ein strenger Blick, ein Lefzen-Anheben oder ein körperbetontes Wegschubsen, haben eine wichtige Lernfunktion. Wenn eine Hundemutter gezielt zum Ausdruck bringt: »Jetzt reicht’s! Jetzt ist Feierabend!«, so nimmt sie eine Vorbildfunktion für sozialbeziehungsrelevantes Verständnis ein. Daran hapert es Welpen noch, weil sie aufgrund ihres Alters sozial unerfahren sind. Und genau deshalb müssen anfangs hemmungslose Welpen, die im frühen Entwicklungsstadium bekanntlich die reinsten Egoisten sind, so umfassend wie möglich moralanaloges Verhalten lernen dürfen. Will heißen: Die Strafe folgt auf dem Fuß, ohne Wenn und Aber. Danach wird sich wieder versöhnt – und gut ist. Die Verhaltenskorrekturen beeinflussen das vertraute Beziehungsverhältnis von Mutter und Kind keineswegs negativ – genauso wie später auch situative Verhaltenskorrekturen durch den Halter die Beziehung zwischen Mensch und Hund nicht beschädigen. Die entscheidende
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