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Was geschah mit Mara Dyer?: Roman (German Edition)

Was geschah mit Mara Dyer?: Roman (German Edition)

Titel: Was geschah mit Mara Dyer?: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Hodkin
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obendrein, ein Spielball unendlicher Melancholie, um sofort den tödlichen kleinen Dämon unter den normalen Kindern zu erkennen‹«, sagte er mit sanfter, leiser Stimme und wob seinen britischen Akzent um die Worte. »Da steht sie, von ihnen unerkannt und sich ihrer fantastischen Macht selber nicht bewusst.«
    Sprachlos und mit offenem Mund stand ich da und starrte ihn an. Normalerweise hätte ich gelacht – das Ganze war irgendwie albern. Aber die Art, wie er die Worte betonte und mich dabei ansah, wirkte schockierend intim. Als kenne er alle meine Geheimnisse. Als hätte ich keine Geheimnisse. Doch bevor ich mir eine Erwiderung ausdenken konnte, kauerte sich Noah hin und hob mein Buch auf.
    »Lolita«, sagte er und drehte das Buch in der Hand um. Seine Augen wanderten über die rosa Lippen auf dem Umschlag, dann gab er es mir zurück. Als unsere Finger sich berührten, fuhr ein warmer Stromstoß durch sie hindurch. Mein Herz dröhnte so laut, dass er es wahrscheinlich hören konnte.
    »So«, sagte er und wieder trafen sich unsere Blicke. »Du bist also ein kleiner Schweinigel mit einer Schwäche für Vaterfiguren?« Seine Mundwinkel verzogen sich zu einem gönnerhaften, kleinen Lächeln.
    Ich hätte es ihm am liebsten aus dem Gesicht geprügelt. »Immerhin hast du daraus zitiert. Und das auch noch falsch. Was bist du dann also?«
    Sein schiefes Grinsen wurde breiter. »Oh, ich bin auf jeden Fall ein Schweinigel mit einer Schwäche für Vaterfiguren.«
    »Jetzt hast du’s mir aber gegeben.«
    »Noch nicht.«
    »Arschkappe«, murmelte ich vor mich hin, während ich mich auf den Weg zum nächsten Unterrichtsraum machte. Ich war nicht stolz darauf, vor einem völlig Fremden zu fluchen. Aber er hatte angefangen.
    Noah passte sich meinem Tempo an. »Meinst du vielleicht Arschbacke?« Er wirkte amüsiert.
    »Nein«, sagte ich, diesmal lauter. »Ich meine Arschkappe. Die Kappe auf dem Schädel der Arschgeige mit dem Arschgesicht und den Arschbacken. Das Wahrzeichen des ranghöchsten Vertreters in der Hierarchie der Ärsche«, sagte ich, als würde ich aus einem Lexikon für moderne Schimpfwörter zitieren.
    »Jetzthast du es mir aber gegeben.« Noch nicht.
    Die Worte flutschten mir unaufgefordert in den Kopf und ich huschte in meinen Matheraum und fort von ihm, sobald ich die Tür sah.
    Ich setzte mich ganz nach hinten, in der Hoffnung, mich vor den gestrigen Blicken verstecken und in der Unverständlichkeit des Unterrichtsvortrags verlieren zu können. Ich bog den Buchrücken von Lolita durch und versteckte das Buch unter meiner Tasche. Dann holte ich mein Matheheft und einen Bleistift heraus. Noah fing an, mir unter die Haut zu gehen. Kein gutes Zeichen.
    Doch dann stolzierte Anna ins Klassenzimmer, begleitet von ihrem nicht gerade kleinen Freund, und unterbrach meine Gedanken. Das Paar marschierte herein wie ein Duo Infernale. Anna sah, wie ich sie anstarrte, und ich wandte schnell den Blick ab, aber nicht ohne vorher rot zu werden. Ich spürte, dass sie mich beobachtete, während sie sich in der dritten Reihe niederließ.
    Eine Welle der Erleichterung überspülte mich, als Jamie sich auf den Platz neben mir schob. Mein bislang einziger Freund an der Croyden Academy.
    »Wie geht’s?«, fragte er grinsend.
    Ich lächelte zurück. »Kein Nasenbluten.«
    »Noch nicht«, sagte Jamie augenzwinkernd. »Wen hast du sonst noch kennengelernt? Jemand Interessantes? Abgesehen von mir natürlich.«
    Ich senkte die Stimme und kritzelte in mein Heft. »Jemand Interessantes? Fehlanzeige. Ein Arschloch schon.«
    Das Grübchen in Jamies Wange vertiefte sich. »Lass mich raten. Es handelt sich um einen gewissen ungekämmten Bastard mit einem Lächeln, dass einem die Hose aufgeht?«
    Vielleicht.
    Jamie nickte. »Dass du rot wirst, sagt mir, dass es ganz bestimmt so ist.«
    »Vielleicht«, sagte ich vorsichtig.
    »Dann hast du also Shaw getroffen. Was hat er gesagt?«
    Ich fragte mich, warum Jamie solches Interesse zeigte.
    »Er ist ein Arschloch.«
    »Ja, das sagtest du schon. Aber wenn ich es mir recht überlege«, setzte er an, »sagen sie das alle. Und trotzdem kann sich der Kerl kaum retten vor Mö…«
    »Also gut, Leute, holt eure Aufgaben heraus und reicht sie bitte nach vorne durch.« Mr Walsh stand auf und schrieb eine Gleichung an die Tafel.
    »Schönes Bild«, flüsterte ich Jamie zu. Er zwinkerte mir in dem Moment zu, als Anna sich umdrehte, um mich böse anzufunkeln.
    Mein zweiter Schultag verging in einem Sumpf aus

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