Was geschah mit Mara Dyer?: Roman (German Edition)
der Hand. Er musste an ihr gezerrt haben.
Der widerliche Bastard lächelte mich an.
Abscheu stieg in mir auf, ich war ganz und gar erfüllt davon. Noch nie hatte ich jemanden so sehr gehasst wie diesen Mann in diesem Moment. Die Gewalt, die ich ihm gern angetan hätte, aber nicht ausleben konnte, kribbelte mir in den Fingern. Also drehte ich mich um und rannte zitternd davon. Ich wollte ein wenig von dem Zorn loswerden, der von einem dunklen Ort in meinem Innern hochkochte, von dem ich bis heute nichts geahnt hatte. Meine Füße trampelten über den Asphalt, so wie sie gern auf dem Lächeln im Gesicht dieses Stücks Dreck herumgetrampelt wären. Kaum bohrte sich mir dieser Gedanke ins Hirn, sah ich ihn förmlich vor mir: den gespaltenen Schädel des Prolls mit einem klaffenden, fleischigen Loch an der Seite. Eine Wolke von Fliegen verstopfte ihm den Mund. Blut färbte den sandigen Dreck neben dem Holzstoß und bildete eine Pfütze um seinen Körper.
Er hatte es verdient zu sterben.
12
V erschwitztund atemlos umrundete ich den Parkplatz am Eingang zur Schule und sah auf die Uhr. Noch sieben Minuten, bis der Englischunterricht begann. Ich holte meine Tasche aus dem Auto, sprintete zum Klassenraum und erreichte ihn eine Minute vor dem Klingelzeichen. Haarscharf.
Ms Leib machte die Tür hinter mir zu und ich ließ mich am nächstbesten Tisch nieder. Noah war auch da und wirkte ebenso gelangweilt, gleichgültig und zerzaust wie immer. Er hockte ohne Buch oder Aufzeichnungen an seinem Tisch, was ihn aber nicht davon abhielt, jede von Ms Leibs Fragen richtig zu beantworten, wenn sie ihn aufrief. Angeber.
Mit den Unterrichtsgeräuschen im Hintergrund drifteten meine Gedanken ab. Ich musste etwas unternehmen. Musste dem Hund irgendwie helfen. Ich hatte gerade angefangen, einen dubiosen Plan zu entwickeln, zu dem auch ein Drahtschneider, eine Skimaske und ein Knüppel gehörten, als es läutete. Bestrebt, zum nächsten Unterricht zu kommen, schob ich mich zur Tür, doch eine wogende Schülermenge hatte sich bereits davor versammelt und verstopfte den Ausgang.
Als ich dem Gewühl schließlich entkam, fand ich mich plötzlich Auge in Auge mit Anna wieder. Sie zog angewidert die Nase kraus.
»Duschst du eigentlich nie?«
Wahrscheinlich roch ich wirklich etwas streng nach dem Sprint heute Morgen, doch für Annas Gelaber war ich wirklich nicht in Stimmung. Ich machte den Mund auf, um ihr eine Unverschämtheit entgegenzuschleudern.
»Mir sind Ungeduschte jedenfalls wesentlich lieber als Überparfümierte, dir nicht, Anna?«
Die Stimme konnte nur Noah gehören. Ich drehte mich um. Er stand hinter mir und lächelte kaum wahrnehmbar.
Annas blaue Augen wurden groß. Ihr Gesichtsausdruck wandelte sich von fies zu unschuldig. Wie durch Zauberei, nur niederträchtiger.
»Wenn das die einzige Wahl ist, die man hat, Noah, dann würde ich sagen, ja. Aber ich habe weder für das eine noch für das andere etwas übrig.«
»Das hatte ich nicht erwartet«, sagte Noah.
Das schien nicht die Antwort zu sein, mit der sie gerechnet hatte. »Na ja, egal«, stotterte sie. Dann wandte sie sich wieder mir zu und erdolchte mich fast mit Blicken, ehe sie davonging.
Super. Jetzt hatten wir beide definitiv Riesenzoff.
Ich drehte mich um und sah Noah an. Er lächelte unverfroren und ich fuhr die Krallen aus. »Das hättest du dir schenken können«, sagte ich. »Ich hatte die Sache im Griff.«
»Ein einfaches Dankeschön würde mir reichen.«
Regen begann auf die Überdachung zu klatschen. »Ich muss wirklich zum Unterricht«, sagte ich und lief los. Noah hielt mit mir Schritt.
»Was hast du als Nächstes?«, fragte er leichthin.
»Algebra II.« Geh weg. Ich stinke. Und du machst mich total nervös.
»Ich komme mit.«
Pech gehabt. Ich hängte mir die Tasche über die andere Schulter und stellte mich auf unangenehmes Schweigen ein. Urplötzlich zog Noah an meiner Büchertasche und brachte mich zum Stehen.
»Hast du das gezeichnet?«, fragte er und zeigte auf die Graffiti auf meiner Tasche.
»Jep.«
»Du hast Talent«, sagte er. Ich sah ihm ins Gesicht. Kein Sarkasmus. Keine Belustigung. War das möglich?
»Danke«, sagte ich entwaffnet.
»Jetzt bist du dran.«
»Womit?«
»Mir ein Kompliment zu machen.« Ich ignorierte ihn.
»Wir können stumm wie die Fische weitergehen, Mara, oder du fragst mich ein bisschen aus, bis wir da sind.«
Er war nervtötend. »Was bringt dich auf die Idee, dass ich irgendwas über dich wissen will?«,
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